Pilotprojekt in Luxemburg – 24-Stunden-Kita, Qual für Kinder oder Fortschritt?

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Pilotprojekt in Luxemburg24-Stunden-Kita, Qual für Kinder oder Fortschritt?

LUXEMBURG - Ab Ende 2013 sollen in der Hauptstadt Kinder rund um die Uhr betreut werden. Das Projekt verbessert das Betreuungsangebot. Experten fürchten aber um das Wohl der Kinder.

Ab Ende 2013 sollen Kinder in Luxemburg-Stadt rund um die Uhr betreut werden können.

Ab Ende 2013 sollen Kinder in Luxemburg-Stadt rund um die Uhr betreut werden können.

DPA

Rund um die Uhr sollen in der Hauptstadt künftig Kinder betreut werden. Am Mittwoch hat Luxemburg-Stadt seine Pläne bekannt gemacht, eine erste Kita eröffnen zu wollen, die tags und nachts geöffnet hat. «Das Angebot soll sich vor allem an Alleinerziehende und Eltern richten, die Schicht arbeiten», erklärt Bürgermeister Xavier Bettel (DP) gegenüber «L’essentiel Online». Die Kosten für die Betreuung in der Krippe, die ab Jahresende ihre Arbeit aufnehmen könnte, sollen sich nach dem Einkommen der Eltern richten.

Das Angebot entspreche der Nachfrage, meint Maryse Arendt von der Initiativ Liewensufank, die sich um die Belange frischgebackener Eltern kümmert: «Für Eltern, die abends lange arbeiten oder keine normalen Arbeitszeiten haben, ist es extrem schwierig, Beruf und Familie zu vereinbaren.» Doch neben den Interessen der Eltern, dürfe das Wohl der Kinder nicht in den Hintergrund rücken. «Nehmen wir an, ein Elternteil holt sein schlafendes Baby mitten in der Nacht ab. Einige Kinder schlafen dann einfach weiter, bei anderen ist der Schlaf extrem gestört», so Arendt weiter.

Wo ist die Bezugsperson?

Diese Sorge teilt auch Karin Weyer, auf Kinder spezialisierte Psychotherapeutin: «Es geht um das Wohlergehen des Kindes. Wer ein Kind mitten in der Nacht weckt, stört seinen Schlafrhythmus. Heute leidet schon die Hälfte der Bevölkerung unter Schlafstörungen. Wenn der Rhythmus schon im Säuglingsalter gestört wird, besteht das Risiko, dass sich das auf die Schlafzyklen bis ins Erwachsenenalter auswirkt.»

Problematisch ist auch die Frage nach der Bezugsperson für ein Kleinkind, meint Weyer. «Die Arbeitskräfte sind tags und nachts sicher nicht dieselben. Ein Baby hat immer eine Vertrauensperson. Wie reagiert es dann, wenn es nachts aus einem Alptraum aufschreckt und die Bezugsperson nicht da ist?»

Ein weiteres Problem könnten die langen Tage in der Krippe mit sich bringen, befürchtete Karin Weyer: «Einige Kinder verbringen schon jetzt 10 bis 12 Stunden am Tag in einer Betreuungseinrichtung. Für die Kinder ist das genauso anstrengend wie ein Arbeitstag für Erwachsende. Sie brauchen danach erst einmal Ruhe» Weyer hat bei Beobachtungen in verschiedenen Einrichtungen in Luxemburg festgestellt, dass die Kinder, die länger in der Krippe sind auch häufiger verhaltensauffällig sind.

(Laurence Bervard/ L'essentiel Online)

58 Krippen in der Hauptstadt

In Luxemburg-Stadt gibt es derzeit 2'751 Krippenplätze in 85 Einrichtungen. 80 von ihnen sind in privater Hand. Knapp ein Fünftel der privaten Kindertagesstätten weisen nach Aussage von Bürgermeister Xavier Bettel (DP) Mängel auf. Diese betreffen allerdings nicht die Sicherheit, sondern zumeist administrative Bestimmungen.

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