Dopingskandal30 Sportler im Visier der Fahnder
Die Blutdoping-Affäre um den Erfurter Sportmediziner Andreas Franke wird für den deutschen Leistungssport immer bedrohlicher. Zahlreiche prominente Top-Athleten fürchten um ihren Ruf.

Das Haus mit den Praxisräumen des in eine Dopingaffäre verwickelt Erfurter Sportmediziner Dipl.-Med. Andreas Franke, am Montag des 30.01.2012, in Erfurt.
Gegen die Eisschnellläuferin Judith Hesse und Radfahrer Jakob Steigmiller sollen laut ARD-Recherchen bereits Verfahren vor der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) laufen). Die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) hat angekündigt, in 28 weiteren Fällen die Einleitung sportgerichtlicher Verfahren zu prüfen. «Selbstverständlich prüfen wir mit aller Gewissenhaftigkeit in jedem einzelnen Fall die mögliche Anwendung verbotener Methoden, ganz gleich, ob es sich dabei um Olympiasieger oder Nachwuchssportler handelt», erklärte die NADA-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann.
Ermittlungen seit Frühjahr 2011
Sportarzt Franke soll in seinen Praxisräumen das Blut von Athleten einer UV-Behandlung unterzogen haben. Unter den Sportlern aus dem Eisschnelllauf, Radsport und der Leichtathletik sollen auch Topathleten gewesen sein, berichtete die ARD am Sonntag.
Die Staatsanwaltschaft Erfurt ermittelt seit Frühjahr 2011 gegen den Mediziner wegen des Verdachts, zu Dopingzwecken gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen zu haben. Nach dem Code der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) ist Athleten jede Manipulation oder Transfusion ihres Blutes verboten. Franke selbst behauptet, seine Methode sei als präventive Infektbehandlung zulässig.
Vorwürfe gegen die NADA
Bernd Neudert, Leiter des Olympiastützpunktes Thüringen, erklärte, dass er bereits 2007 in einem Brief an die NADA «haarklein» über die UV-Bluttherapie von Franke berichtet und um eine Stellungnahme gebeten habe, ob diese Methode zulässig ist. «Ich habe bis heute keine Antwort erhalten - auch auf Nachfragen nicht», behauptete Neudert.
NADA-Sprecher Berthold Mertes widersprach dem, bestätigte den Eingang der Neudert-Mail vom 4. Juni 2007 um 15.57 Uhr und berichtete, dass die Antwort bereits 40 Minuten später erfolgt sei. In der Antwort habe die NADA darauf hingewiesen, «sich immer strikt gegen eine Eigenblutbehandlung ausgesprochen» zu haben.
«Die Stars auf der Erfurter Liste»
Von den Stars, die laut eines ARD-Berichts in der Sportschau (Sonntag) auf der «Erfurter Liste» stehen sollen, wollte sich keiner direkt dazu äußern. Auch der Erfurter Olympiasieger Nils Schumann nicht. «Ich halte das Ganze für Humbug», sagte der 33-Jährige. Der Thüringer Leichtathlet, hatte 2000 in Sydney überraschend Gold über 800 Meter gewonnen.
Die Erfurter Eisschnellläuferin Judith Hesse wird von Cheftrainer Markus Eicher in Schutz genommen: «Ich bin sicher, dass sie keine Schuld hat. Nach allem, was ich aus Informationen von unserem Mannschaftsarzt weiß, war das ein Fehler des Erfurter Sportmediziners und nicht von der Sportlerin.»
Eisschnellläufer und Radfahrer
Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein, die laut ARD ebenfalls zu Frankes Patienten gehören soll, ließ über ihr Management verlauten: «Wie ja bereits bekannt ist, bin ich weder Betroffene der staatsanwaltlichen Ermittlungen noch der daraus resultierenden Verfahren der NADA. Von daher bitte ich um Verständnis, dass ich mich im Rahmen von Verfahren, die sich zum Teil gegen eine meiner Teamkolleginnen richten, nicht äußern werde.»
Die 39 Jahre alte Berlinerin bekräftige erneut, in ihrer Karriere «niemals zu unerlaubten Mitteln oder Methoden» gegriffen habe.
Auf der Liste soll auch Radprofi Marcel Kittel stehen. «Der Arzt war im Thüringer Olympiastützpunkt tätig, und deshalb waren auch Radprofis dort in Behandlung, wenn sie krank waren», sagte Kittels Manager Jörg Werner, der auch Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin und Nachwuchs-Sprinter John Degenkolb betreut. «Keiner von den Dreien wurde in dieser Angelegenheit von der Staatsanwaltschaft Erfurt als Zeuge befragt, gegen sie ermittelt wird erst recht nicht.» Werner, gleichzeitig auch Manager von Steigmillers Team, bestätigte zudem, dass Steigmiller vor Staatsanwaltschaft und NADA aussagen musste.
L'essentiel Online /
(dpa)