Diplomatisches Tauziehen – Aktivist fühlt sich im Stich gelassen

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Diplomatisches TauziehenAktivist fühlt sich im Stich gelassen

Chen Guangcheng erhebt schwere Vorwürfe: US-Diplomaten hätten ihn zum Verlassen der Botschaft in Peking gedrängt, ihn dann aber im Stich gelassen. Inzwischen will er China verlassen.

Der Dissident Chen Guangcheng und seine Familie.

Der Dissident Chen Guangcheng und seine Familie.

DPA

Nach dem Verlassen der amerikanischen Botschaft in Peking hat der chinesische Bürgerrechtsaktivist Chen Guangcheng schwere Vorwürfe gegen die USA erhoben. Die Diplomaten hätten ihn getäuscht, sagte er am Mittwochabend gegenüber dem Nachrichtensender CNN.

Chen, der sich derzeit in einem Spital in Peking befindet, widersprach der Darstellung der Regierungen in Washington und Peking, er habe die Botschaft «aus freien Stücken» verlassen. Die Diplomaten hätten ihn zum Verlassen des Gebäudes gedrängt, erklärte er.

Sie hätten ihm versprochen, ihm im Spital zur Seite zu stehen. Als er dort angekommen sei, seien sie jedoch weg gewesen. Er sei darüber «sehr enttäuscht» und fühle sich belogen.

Obama soll mehr für die Menschenrechte in China tun

Der blinde Dissident sagte weiter, er fürchte um sein Leben und wolle die Volksrepublik so schnell wie möglich verlassen. Er habe die USA um Hilfe gebeten, damit er und seine Familie ausreisen könnten. Ausdrücklich forderte er US-Präsident Barack Obama dazu auf, mehr für die Menschenrechte in China zu tun.

Chinas Regierung hatte dem 40-Jährigen nach US-amerikanischen Angaben versprochen, dass er mit seiner Familie an einen «sicheren Ort» umsiedeln und ein Studium aufnehmen könne. Zugleich erhob China schwere Vorwürfe gegen die USA und forderte eine Entschuldigung, die Washington aber verwehrt.

Clinton ermahnt China zur Einhaltung der Menschenrechte

Inmitten des Disputs hat US-Außenministerin Hillary Clinton China zum Schutz der Menschenrechte aufgefordert. Zu Beginn der jährlichen bilateralen Gespräche über außenpolitische und wirtschaftliche Themen sagte Clinton am Donnerstag in Peking, nach Ansicht der USA müssten alle Regierungen dem Streben ihrer Bürger nach Würde und Rechtsstaatlichkeit nachkommen.

Der chinesische Staatspräsident Hu Jintao erklärte, China und die USA müssten einander respektieren, auch wenn sie unterschiedlicher Meinung seien. «Angesichts unserer verschiedenen nationalen Bedingungen ist es unmöglich bei jedem Thema einer Meinung zu sein», sagte er. Doch sei es wichtig, mit den Differenzen so umzugehen, dass sie nicht die übergeordneten Interessen der chinesisch-amerikanischen Beziehungen untergrüben.

(L’essentiel Online / sda)

US-Botschafter in China: Kein Druck auf Chen ausgeübt

Der blinde chinesische Dissident Chen Guangcheng ist nach den Worten von US-Botschafter Gary Locke nicht gezwungen worden, die diplomatische Vertretung der USA in Peking zu verlassen. Er könne eindeutig sagen, dass auf Chen kein Druck ausgeübt worden sei, erklärte Locke am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Chen habe zwei Mal mit seiner Frau telefoniert, bevor er die Botschaft verlassen habe. Chens Frau wartete im Krankenhaus.

Chen hatte sich in der vergangenen Woche nach 20-monatigem Hausarrest in die US-Botschaft geflüchtet. Nach sechs Tagen verließ der blinde Aktivist die Vertretung am Mittwoch, um im Krankenhaus eine Beinverletzung behandeln zu lassen. Er erklärte zunächst, ihm sei zugesichert worden, dass er in China sicher sei. Stunden später erklärte er aber, er fürchte um die Sicherheit seiner Familie, sofern nicht alle Mitglieder ins Ausland gebracht würden.

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