Argentinien«Als ich die Zeichnung meines Enkels sah, hatte ich einen Knoten im Hals»
Die Zeichnung eines Schulkindes aus Rosario in Argentinien geht viral: Der Siebenjährige hatte sein Quartier darstellen wollen – was er malte, ist eine Gewaltszene.
- von
- Karin Leuthold
«Als ich die Hausaufgaben meines Enkels sah, hatte ich einen Knoten im Hals», sagt der Argentinier Juan Manuel. In einer Zeichnung, die der siebenjährige Thiago gemacht hatte, ist ein Mann mit schwarzem Cap zu erkennen, der eine Waffe auf eine Person mit erhobenen Armen richtet. Dabei hatte die Lehrerin die Kinder gebeten, ihren Alltag in ihrer Nachbarschaft darzustellen.
Thiago und seine Familie wohnen in Capitán Bermúdez, einem Außenbezirk von Rosario, einer Stadt 300 Kilometer nordwestlich der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires entfernt. Dort regieren schon seit längerer Zeit die Drogengangs. Nun aber rollt eine zunehmende Kriminalitätswelle über die Heimatstadt von Fußball-Superstar Lionel Messi.
Der Großvater des Jungen erzählt dem Sender TN, dass Thiago zwar nicht in der gefährlichsten Gegend lebe und auch nie Opfer einer Attacke geworden sei, «aber er weiß, was in der Nähe passiert». Die tägliche Gewalt, die die Bewohner und Bewohnerinnen erfahren, sei überall Gesprächsthema, sagt Juan Manuel. Er befürchtet, dass viele Kinder mit einem Trauma aufwachsen könnten.
Elfjähriger bei Schießerei getötet
Am Sonntag vor einer Woche wurde der elfjährige Máximo Gerez im ärmlichen Viertel Los Pumitas getötet, als er mit anderen Kindern an einem Kiosk ein Getränk kaufte. Die Angreifer waren in einem schwarzen Auto mit abgedunkelten Scheiben gekommen und hatten das Feuer auf ihn und seine Freunde eröffnet. Máximo wurde von mehreren Schüssen getroffen, er war sofort tot, drei weitere Kinder wurden schwer verletzt.
Máximos Vater sagt, er kenne die Verantwortlichen. Kurz nach der Tat ging die Familie in die Häuser der Drogendealer, um sie mit Hämmern und Stahlstangen einzureißen und Feuer zu legen. «Hier verkaufen sie Drogen und vergiften unsere Kinder», sagte Julio Gerez im Fernsehen. Er glaubt, dass die Drogenbande Los Salteños hinter dem Mord an seinem Sohn steckt. «Wir sind niemals bedroht worden und haben uns mit niemandem angelegt», sagte Máximos Tante Antonia der Zeitung «La Nación». «Wir sind arme Leute, aber was uns wirklich zerstört, ist der Schmerz.»
Sogar Messis Familie wird bedroht
Die Kämpfe zwischen den Gangs um den lukrativen Kokainmarkt machen Rosario zur gefährlichsten Stadt Argentiniens. In diesem Jahr wurden dort bereits 64 Menschen getötet. Immer wieder greifen Mitglieder der Drogengangs auch öffentliche Gebäude, Gefängnisse und Polizeiwachen an.
Erst kürzlich wurde sogar die Familie von Antonela Roccuzzo, der Ehefrau von Lionel Messi, zum Ziel eines Angriffs. Unbekannte feuerten 14 Schüsse auf den Supermarkt von Roccuzzos Vater in Rosario ab. Dort hinterließen sie einen Zettel, auf dem zu lesen war: «Messi, wir warten auf dich.»