Experten warnen – «Aussagen zur Omikron-Schwere sind unseriös»

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Experten warnen«Aussagen zur Omikron-Schwere sind unseriös»

Eine südafrikanische Ärztin berichtet von milden Verläufen bei den Kranken, die sich mit der Variante infiziert haben. Daraus schließen viele auf ein baldiges Ende der Pandemie.

Die Meldung von milden Verläufen bei Personen, die sich mit der Omikron-Variante angesteckt haben, wecken Hoffnungen, die neue Mutante könnte weniger schlimme Folgen haben, als von Fachleuten befürchtet. Martin C. Janssen, ehemaliger Bankenprofessor aus Zürich, der sich gegen die Covid-Impfungen ausspricht und schon für das Entwurmungsmittel Ivermectin warb, frohlockt auf Twitter: «Das wäre dann auch das Ende der Pandemie.»

Doch: Solche Vorhersagen sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt. «Alle Aussagen zur Schwere von Omikron – sowohl in Richtung ‹milder› als auch ‹schwerer› sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös und reine Spekulation auf Basis unzuverlässiger Infos», so Kai Schulze vom Robert Koch-Institut.

Ins gleiche Horn bläst auch der US-Epidemiologe Eric Feigl-Ding: «Viele Fehlinformationen werden jetzt verbreitet, dass #Omicron ‹mild› ist. Das ist Unsinn, der auf einem, aus dem Zusammenhang gerissenen, Zitat basiert. Fallen Sie nicht darauf herein – so viel weiß noch niemand.» So sieht es auch Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung beim BAG: Verlässliche Aussagen zu Omikron seien aktuell kaum möglich, da die Datenlage sehr dünn sei.

Drosten bemängelt fehlende Substanz

Auch Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité, warnt vor zu viel Optimismus: Die Meldungen über milde Verläufe hätten «noch nicht sehr viel Substanz. Wir haben gerade einmal etwas über tausend Fälle nachgewiesen und deren klinischen Verlauf muss man erstmal sehen», erklärte er im ZDF. Man müsse derzeit wirklich für alles offen sein.

Das Einzige, was das schon sagen könne, ist, «dass diese Infektion in Südafrika häufig bei jungen Leuten auftritt, bei Leuten, die in allererster Linie die Krankheit auch schon hinter sich haben, das jetzt als zweite oder dritte Infektion bekommen und dann auch mit Symptomen.» Noch völlig unklar ist dagegen, wie sich die Omikron-Variante bei Kindern, Risikopatienten und älteren Menschen auswirkt.

Aktuell alles «super unsicher»

Zwar ist die zunächst als B.1.1.529 bekannte Variante mit ihren zahlreichen Mutationen «bis an die Zähne bewaffnet», wie Friedemann Weber, Leiter des Instituts für Virologie an der Justus-Liebig-Universität Giessen, sagt. Aber was das bedeutet, kann noch nicht abgeschätzt werden. Denn «Mutationen arbeiten oft zusammen», so Emma Hodcroft von der Universität Bern. Das heißt: Je nach Kombination kann der Effekt anders ausfallen. Da die bei B.1.1.529 vorkommende Kombination noch nie vorher da gewesen ist, lassen sich dazu derzeit noch keine Aussagen machen.

Mutationen machen Viren nicht zwangsläufig gefährlicher. Es kann sogar genau das Gegenteil bewirken, wie Drosten im März 2020 in seinem Podcast erklärte. Demnach könnten Viren im Rahmen der Anpassung ihre Fähigkeit, krank zu machen, sogar abschwächen. Für ein Virus kann eine solche Entwicklung Sinn ergeben. Schließlich will es sich so weit wie möglich verbreiten. Tötet es seinen Wirt, erreicht es dieses Ziel deutlich schlechter, als wenn der Wirt weiterlebt und das Virus verteilt.

Wozu die Mutationen von Omikron führen, werden die nächsten ein bis zwei Wochen zeigen, so Schulze. Noch sei alles «super unsicher». Bis dahin rät er «allen die vielleicht psychisch belastet sind, mit Angst oder Stresssymptomatiken zu kämpfen haben, einfach mal für ein paar Tage Social-Media-Detox zu machen und sich auszuloggen.»

Ungeimpfte mit größerem Hospitalisierungsrisiko

Eines zeichnet sich aber bereits jetzt ab: Ungeimpfte scheinen auch bei der neuen Variante ein größeres Risiko zu haben, hospitalisiert zu werden. Darauf weist die US-Virologin Angela Rasmussen in einem Tweet hin: «Die Ankündigung, die Supervariante könne für geimpfte Menschen den Untergang bedeuten, könnte verfrüht sein.» Die meisten Personen, die in Südafrika wegen Omikron ins Krankenhaus mussten, seien ungeimpft.

(L'essentiel/Fee Anabelle Riebeling)

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