Doppelmord an JugendlichenBürgermeister geht gegen die Justiz vor
Der Bürgermeister von Bodenfelde, Hartmut Koch, wirft den Justizbehörden weiter vor, vor den Doppelmorden den vorbestraften Jan O. wegen Bewährungsverstößen nicht inhaftiert zu haben.

Nach dem Mord an Nina und Tobias erhebt Bodenfeldes Bürgermeister Hartmut Koch schwere Vorwürfe gegen die zuständige Staatsanwaltschaft. «Wenn vor drei Wochen Jan O. festgesetzt worden wäre, würden beide Kinder noch leben», sagte Koch am Samstag in der NDR-Fernsehsehsendung «Hallo Niedersachsen». Nun geht er einen Schritt weiter und fordert eine Überprüfung der Entscheidungen der Bewährungsaufsicht.
«Wir wollen vernünftig und in aller Ruhe geprüft wissen, warum die Bewährung des 26-Jährigen nach dessen erneuten Straftaten nicht sofort beendet wurde», sagte Koch am Montag auf dapd-Anfrage. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg wies die Vorwürfe zurück. Die Voraussetzungen für einen Sicherungshaftbefehl bis zum Widerruf der Bewährung hätten nicht vorgelegen.
Keine Fluchtgefahr
Bei den Taten des 26-Jährigen in der Bewährungszeit habe es sich um Diebstähle, Fahren ohne Fahrerlaubnis und fahrlässige Brandstiftung gehandelt. Er habe Kontakt zu seiner Bewährungshelferin gehalten und sich erneut in eine Entgiftung begeben wollen. «Es gab keine Anzeichen dafür, dass der Verurteilte schwerwiegende Gewaltdelikte begehen könnte», betonte Staatsanwältin Angelika Klee.
Auch die Staatsanwaltschaft Göttingen prüfte Anfang November eine Verhaftung von Jan O. Nach der Festnahme des 26-Jährigen wegen fahrlässiger Brandstiftung sei mit dem Haftrichter erörtert worden, ob Untersuchungshaft angeordnet werden sollte, berichtete Oberstaatsanwalt Hans Hugo Heimgärtner. Richter und Staatsanwaltschaft hätten aber keine Fluchtgefahr gesehen. «Dass jemand, der Laubeneinbrüche begeht, zum Mörder wird, konnte niemand voraussehen», sagte er.
Gefährdungspotential war da
Jan 0. war 2007 wegen einer Einbruchsserie zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Nach seiner Haftentlassung war er knapp zwei Wochen vor den Morden in Bodenfelde wegen fahrlässiger Brandstiftung festgenommen, aber kurz danach wieder freigelassen worden. Am Montag, 15. November, tötete er die 14-jährige Nina und am Samstag, 20. November, den 13-jährigen Tobias.
Die Einwohner von Bodenfelde erwarteten eine Antwort auf die Frage, warum die Bewährung nach der Brandstiftung nicht sofort widerrufen worden sei, betonte der parteilose Bürgermeister. «Wenn er sofort festgesetzt worden wäre, hätte er die weiteren Taten nicht begehen können.» Zuständig für die Bewährung von Jan O. seien die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Stade und die Staatsanwaltschaft Lüneburg. Die Polizei habe nach der Festnahme des 26-Jährigen Anfang November ein Gefährdungspotenzial gesehen, ihn aber nicht lange festhalten können.
Zweifel am Motiv Mordlust
Die Göttinger Staatsanwaltschaft ist mittlerweile nicht mehr davon überzeugt, dass Jan O. aus Mordlust tötete. «Mithilfe der Aussage des Beschuldigten überprüft die Staatsanwaltschaft, ob das Merkmal Mordlust noch gegeben ist», sagte Heimgärtner. Unter Umständen müsse der Haftbefehl gegen den 26-Jährigen geändert werden.
Bei dem Verbrechen an dem Jungen komme das Mordmotiv «Verdeckung einer Straftat», also der vorangegangenen Tötung des Mädchens, in Betracht, sagte der Oberstaatsanwalt. Jan O. habe in seinem Geständnis ausgesagt, er habe sich in der Nähe der Leiche des Mädchen durch den Jungen entdeckt gefühlt und ihn dann ebenfalls getötet. Bei der Gewalttat gegen das Mädchen könne es sich eventuell auch um Totschlag handeln. Der 26-Jährige habe sich dem Mädchen zwar aus sexuellen Motiven genähert, Anzeichen für eine versuchte Vergewaltigung gebe es aber nicht, sagte Heimgärtner. Jan O. hatte am Freitag ausgesagt, er habe die 14-Jährige getötet, um sie am Schreien zu hindern.
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