GenozidChamber will Völkermord an den Armeniern anerkennen
LUXEMBURG – Die Chamber will Klartext reden: Am kommenden Mittwoch sollen die Abgeordneten über eine Resolution abstimmen, die den Genozid an den Armeniern anerkennt.

Zwischen 300.000 und 1,5 Millionen Armenier wurden in den Jahren 1915 bis 1916 bei Deportationen, Massakern und Todesmärschen im osmanischen Reich umgebracht.
Hunderttausende Armenier wurden in den Jahren 1915 und 1916 in der Türkei umgebracht – von den Machthabern des damaligen Osmanischen Reichs, der heutigen Türkei. Doch wie lautet die korrekte Bezeichnung für dieses Verbrechen? In der Türkei selbst spricht man von den «Ereignissen von 1915». In der Wissenschaft hat sich jedoch schon seit langem der Begriff Genozid – Völkermord – etabliert. Insgesamt erkennen 22 Länder an, dass es sich bei den Massakern an der armenisch-stämmigen Bevölkerung im Vorgängerstaat der Türkei um einen Völkermord handelt. Dem will jetzt auch das luxemburgische Parlament Rechnung tragen.
Am kommenden Mittwoch will die Chamber über eine Resolution abstimmen, die das Kind beim Namen nennt: «Der Knackpunkt war, dass wir das Wort Genozid einbringen», erklärt Laurent Mosar (CSV), der die Resolution mit einem Antrag in der Außenkommission initiierte. Lange Debatten hat es in der Sitzung des Gremiums am vergangenen Mittwoch aber nicht gegeben – und das, obwohl Vertreter aller Fraktionen anwesend waren. «Wir waren uns alle über einen Text einig», berichtet Laurent Mosar . Und in dem steht drin, das das luxemburgische Parlament den Genozid an den Armeniern anerkennt.
Aufarbeitung der Geschichte
Die Resolution geht aber noch weiter: «Wir fordern auch die Türkei dazu auf, ihre Geschichte aufzuarbeiten», erklärt Kommissionspräsident Marc Angel (LSAP). Zudem würde das Land dazu aufgerufen, Dialog und Versöhnung mit den Armeniern weiterzuführen. Die Entschuldigung des türkischen Präsidenten Erdogan für die «Gräueltaten» werde ausdrücklich begrüßt.
Laurent Mosar erwartet eine breite Zustimmung bei der Chamber-Abstimmung am kommenden Mittwoch. «So wie es aussieht, wird die Resolution von allen 60 Abgeordneten mitgetragen», sagt er. Wie die Regierung sich positionieren wird, ist noch nicht klar. Premierminister Xavier Bettel wollte zu der Frage keinen Kommentar abgeben. Sein Außenminister ist über die Vorgänge rund um die Resolution aber gut informiert: Jean Asselborn war nämlich Gast bei der Kommissionssitzung am vergangenen Mittwoch.
(Tobias Senzig/L'essentiel)
Diese Staaten erkennen den Völkermord an
Neben Armenien erkennen bisher 21 Staaten den Völkermord an. In der Schweiz, der Slowakei sowie in Slowenien, Griechenland und Zypern steht seine Leugnung sogar unter Strafe. Die französische Nationalversammlung erkannte den Völkermord 2001 an. Das EU-Parlament verabschiedete am 15. April eine entsprechende Resolution.
Der belgische Senat rief die Türkei 1998 auf, den Völkermord anzuerkennen, das Parlament der Niederlande forderte seine Regierung 2004 dazu auf, bei den EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei den Völkermord «explizit anzusprechen».
Der deutsche Bundestag vermied bis jetzt eine direkte Benennung. Bundespräsident Joachim Gauck sprach jedoch von einer «Mitverantwortung der Deutschen am Völkermord».
Die Position der Türkei in dieser Sache ist klar: « Die Türkei hat keine solche Sünde, kein solches Verbrechen begangen», erklärte Präsident Recep Tayyip Erdogan. Wie ernst die Türken das meinen, bewiesen sie 2010: Als damals der US-Kongress die Ereignisse als Völkermord klassifizierte, zog die Regierung kurzerhand ihren Botschafter ab.
Stellungnahme des türkischen Kulturvereins
Der türkische Kulturverein Luxemburgs äußerte sein Bedauern über den Antrag zur Anerkennung des Völkermords: «Die Türkei bestreitet nicht, dass während der Ereignisse 1915 großes Leid über die Völker des Osmanischen Reiches gekommen ist», heißt es in einer Presseerklärung. Der Begriff Genozid beschreibe den Charakter der Ereignisse aber in keiner Weise. Auch werde eine Resolution in der Chamber dieses Problem nicht lösen.
Stattdessen wäre sie eine große Enttäuschung für die in Luxemburg lebenden Türken. «Parlamente haben nicht die Autorität, historische Ereignisse zu bewerten. Das muss den Historikern überlassen werden», heißt es in dem Schreiben weiter. 2005 habe die Türkei gemeinsam mit Armenien eine Historikerkommission geschaffen, die die Ereignisse aufklären soll.