Zahnloses Gesetz – China erlässt Rauchverbot «light»

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Zahnloses GesetzChina erlässt Rauchverbot «light»

Seit dem 1. Mai ist das Rauchen in öffentlichen Räumen verboten, aber nicht unter Strafe gestellt. Kulturelle und finanzielle Zwänge machen eine griffige Durchsetzung schwer.

(Bild: Reuters/Carlos Barria)

(Bild: Reuters/Carlos Barria)

China ist ein Land der Superlativen, auch was das Suchtverhalten seiner Bevölkerung anbelangt. Fast jede dritte Zigarette weltweit wird hier produziert und geraucht. Schätzungen zufolge soll über die Hälfte der männlichen erwachsenen Bevölkerung - rund 300 Millionen - rauchen. Die Auswirkungen sind dramatisch: Laut Studien sollen 2005 1,2 Millionen Chinesen an den Folgen ihrer Sucht gestorben sein. Diese Zahl könnte bis 2030 auf 3,5 Millionen ansteigen.

Jetzt hat das Gesundheitsministerium reagiert und per 1. Mai 2011 ein Rauchverbot in geschlossenen öffentlichen Räumen eingeführt. Dazu gehören Hotels, Restaurants, Kinos sowie Wartezonen in Bahnhöfen und Flughäfen. Allerdings sieht das neue Gesetz bei Zuwiderhandlung keine Bußen vor, weder für die Raucher selbst noch für Betreiber, die dies zulassen. Sie sollen lediglich Rauchverbotstafeln in ihren Räumlichkeiten aufstellen und ihr Personal schulen, renitente Qualmer zurechtzuweisen.

Fest verankerte Kulturtechnik

Eine mögliche Erklärung für das halbherzige Vorgehen der chinesischen Regierung sind ihre astronomischen Einkünfte aus dem Tabakgeschäft. Der staatliche Zigarettenhersteller «China Tobacco» geniesst ein faktisches Monopol in der Volksrepublik. Sein Gewinne sollen rund 10 Prozent des gesamten Steueraufkommens der Zentralregierung in Peking ausmachen.

Die Tabakprävention hat in China ohnehin einen schweren Stand. Rauchen ist fester Bestandtel der maskulinen Kultur und erfüllt wichtige soziale Funktionen. Eine Zigarette anzubieten, signalisiert Respekt und Gastfreundschaft sowohl in der Interaktion unter Fremden als auch unter Bekannten und Freunden.

Hinzu kommt weitverbreitetes Unwissen über die gesundheitlichen Auswirkungen, darunter das erhöhte Krebsrisiko. Frühere Kampagnen des staatlichen Zigarettenherstellers stellten positive Begleiterscheinungen in den Vordergrund, darunter ein geringeres Risiko für Parkinson und Schizophrene sowie die Stimulation der Hirnzellen.

Schon Mao Tse-Tung versuchte sich vergeblich

Eine eigentliche Aufhörkultur und -industrie wie in den USA und Europa fehlt aufgrund dieser Einstellungen in China weitgehend. Sollte er dereinst so weit kommen, können sich die Chinesen trösten, dass schon ihr Staatsgründer, der Vorsitzende Mao Tse-Tung, mit denselben Problemen zu kämpfen hatte. Laut seinem Hausarzt, der ihn immer wieder zum Aufhören bewegen wollte, war sich der starke Raucher der Konsequenzen seines Handelns durchaus bewusst: «Ich weiß, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist, aber ich kann einfach nicht aufhören», brachte der Vorsitzende das Raucherdilemma schon in den 1950er Jahren treffend auf den Punkt.

L'essentiel Online/ (kri)

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