Degenerative ErkrankungCoronavirus infiziert Netzhaut und kann sich dort vermehren
Sars-CoV-2 kann im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge gehen: Was schon länger vermutet wurde, ist nun erstmals in einer Studie nachgewiesen worden.
Lange ging man davon aus, dass Sars-CoV-2 nur die Lunge angreift. Heute weiß man, dass es den ganzen Körper angreift. Neben den Atemwegen können auch andere Organsysteme betroffen sein, das Gehirn etwa, das Herz oder die Leber (siehe Box).
Auch die Netzhaut im Auge kann vom Coronavirus in Mitleidenschaft gezogen werden. Wofür es bislang nur Hinweise gab, bestätigen nun Forschende des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin (MPI) und der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster im Fachjournal «Stem Cell Reports». Sie zeigen auch, wo genau Sars-CoV-2 dort andockt und was es dort macht.
Das Virus und die Leber
Selten, aber ernst zu nehmen
Demnach infiziert das Virus vor allem die sogenannten retinalen Ganglienzellen, die in der Netzhaut sitzen und alle visuellen Informationen vom Auge ins Gehirn weiterleiten. Auch die Lichtsinneszellen – die sogenannten Zapfen und Stäbchen – können vom Virus befallen werden. In beiden Zelltypen kann sich Sars-CoV-2 zudem vermehren. «Diese Erkenntnis ist neu», heißt es in der Mitteilung, die sowohl von der Universität als auch auf der Seite des MPI veröffentlicht wurde.
Forschung mit Organoiden
Die Studie zeige, «dass eine Infektion mit Sars-CoV-2 direkte pathologische Folgen für die retinalen Ganglienzellen haben kann, auch wenn Sehbehinderungen bei Covid-19-Betroffenen nicht häufig vorkommen», sagt Forschungsgruppenleiter Thomas Rauen. «Unsere Daten geben uns Grund zur Annahme, dass sogenannte Long-Covid-Symptome degenerative Erkrankungen der Netzhaut einschließen können.»
Bislang war man davon ausgegangen, dass die Netzhaut-Probleme bei Covid-Patientinnen und -Patienten auf andere durch Sars-CoV-2 verursachte Symptome zurückzuführen seien. Etwa auf Schäden an den Blutgefäßen oder einer Erhöhung des Augendrucks.