In LuxemburgCovid-Maßnahmen könnten zur Gewohnheit werden
ESCH-BELVAL – Dr. Başak Bağlayan ist Forscherin an der Uni Luxemburg. Sie beschäftigt sich momentan mit den Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die individuellen Freiheiten.

Freiheitseinschränkungen sind gerechtfertigt, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks erforderlich und angemessen sind.
«L’essentiel»: Inwiefern können sich die Corona-Maßnahmen auf die Grundrechte auswirken?
Dr. Başak Bağlayan: Aufgrund der Corona-Pandemie hat Luxemburg – wie andere Länder auch – Maßnahmen eingeführt, die die Ausübung bestimmter Grundrechte und -freiheiten eingeschränkt haben. Die Freizügigkeit der Bürger wurde eingeschränkt, sportliche und kulturelle Aktivitäten wurden abgesagt, Geschäfte wurden geschlossen.
Dennoch können bestimmte Einschränkungen mit den Grundrechten vereinbar sein, wenn ihr Zweck der Schutz der Gesundheit und Sicherheit ist. In solchen Fällen müssen jedoch bestimmte Kriterien erfüllt werden.
Wie wird entschieden, ob eine Maßnahme gerechtfertigt ist?
Sie muss eine rechtliche Grundlage haben, ein legitimes Ziel verfolgen, verhältnismäßig, zeitlich begrenzt und nicht diskriminierend sein. Darüber hinaus muss sie regelmäßig neu bewertet werden.
War Luxemburg in diesem Gebiet vorbildlich?
Bisher gelingt es dem Land, meines Erachtens, diese Vorgaben einzuhalten. Die Regierung sucht ständig nach Alternativen, um die Einschränkungen – wie zum Beispiel das Large Scale Testing– zu begrenzen, was zu begrüßen ist. Aber nach der Krise, muss eine Bilanz gezogen werden.
Die Idee einer Tracing-App wurde in Luxemburg nicht völlig ausgeschlossen. Was halten Sie davon?
Ich bin da eher skeptisch. Zwar verstehe ich das Interesse an solchen Apps, aber sie bergen zu vielen Risiken in Bezug auf die Privatsphäre, die Vereinigungsfreiheit, die Freizügigkeit. Außerdem müssen wir die «digitale Kluft» berücksichtigen. Nicht jeder hat den gleichen Zugang zur Technologie, was eine ernsthafte Gefahr der Diskriminierung darstellt.
Ist das Risiko, sich an die Einschränkungen zu gewöhnen, real?
Ja, wenn die Pandemie länger anhält, besteht die Gefahr einer «Normalisierung» bestimmter Maßnahmen in den Köpfen der Menschen. Meiner Meinung nach wäre der beste Weg, dies abzuschwächen, indem die Menschen durch eine permanente öffentliche Debatte sensibilisiert werden. Transparenz ist entscheidend.
(Séverine Goffin/L'essentiel)