TetraPak-ErbeDas Drama der toten Milliardärin
Die Beziehung von Hans Kristian und Eva Rausing beginnt in einer Entzugsklinik in den USA – und endet mit ihrem Tod in der gemeinsamen Londoner Stadtvilla.

Am Montagmorgen, 9. Juli, hält die Polizei in London einen Fahrer an, der ziellos durch den Süden der Stadt fährt. Wie sich später herausstellt, handelt es sich bei dem Mann um Hans Kristian Rausing, einen schwedischen Milliardenerben. Die Polizei findet harte Drogen bei ihm.
Als die Polizei zu seiner fünfstöckigen Stadtvilla am Cadogan Place 62 im Nobelviertel Belgravia fährt, findet sie eine Leiche. Die Frau ist womöglich schon seit einer Woche tot. Eva Rausing wurde nur 48 Jahre alt. Die Ehefrau von Hans Kristian starb offenbar an einer Überdosis. Nun steht ihr Mann unter Mordverdacht.
«Ich habe schwere Fehler begangen, die ich sehr bereue»
Das schwerreiche Paar war für seine Drogeneskapaden bekannt, die 2008 in einem Eklat gipfelten. Hans Kristian und Eva Rausing waren damals zu einem Fest in die US-Botschaft eingeladen worden. Bei der üblichen Taschenkontrolle stolperten Sicherheitskräfte über Drogen: Die Gattin hatte nicht weniger als 10 Gramm Crack, 2,5 Gramm Heroin und 2,35 Gramm Diethylpropion, einen verbotenen Appetithemmer, dabei.
Bei der anschließenden Durchsuchung des 88 Millionen Euro teuren Stadthauses wurden außerdem weitere 5,6 Gramm Crack, 2,9 Gramm Heroin, 52 Gramm Kokain und 220 Milligramm Diazepam, einem starken Beruhigungsmittel, entdeckt. Ihre öffentliche Abbitte bewahrte Eva vor dem Knast: «Ich habe schwere Fehler begangen, die ich sehr bereue. Ich werde mir sobald wie möglich Hilfe suchen, die ich dringend brauche. Der Aufruhr, den ich ausgelöst habe, tut mir sehr Leid.»
Fahren Kleinwagen, kochen selbst
Vielleicht stand die Ehe der Rausings von Anfang an unter einem schlechten Stern. Hans Kristian lernt Eva 1987 in einer Entzugsklinik in den USA kennen und lieben. Seine schwedische Familie hofft, dass die Tochter eines wohlhabenden Pepsi-Funktionärs dem umtriebigen Erben Halt gibt. Das Paar, das durch den Verkauf der elterlichen Anteile am Verpackungshersteller Tetrapak zu über 5,6 Milliarden Euro gekommen ist, lebt in London, bekommt vier Kinder und genießt das Leben.
Mit ihrem Geld gehen sie vernünftig um: Die Rausings fahren einen Kleinwagen und kochen selbst. Doch andererseits kommt das Duo nicht von den Drogen weg. Zuletzt seien die beiden «hager und zerbrechlich» gewesen, schreibt der «Telegraph». Eva unterstützt mit Geld Einrichtungen wie Action against Addiction, doch gleichzeitig ist sie wohl selbst permanent high. Als die Polizei ihre Leiche findet, ist die Todesursache zwar noch nicht geklärt, doch der Konsum steht ihr ins Gesicht geschrieben.
«Kämpfte tapfer viele Jahre gegen Gesundheitsprobleme»
Auch ihr 49-jähriger Gatte ist offenbar in schlechter Verfassung. Während der Vernehmung auf dem Revier bricht der Milliardär zusammen und muss in ein Spital eingeliefert werden. Die Polizei stellt die Aufnahmen der Überwachungskameras des Stadthauses sicher, um herauszufinden, wann Eva Rausing überhaupt zuletzt lebend gesehen worden ist.
Die Familie des Todesopfers macht weder aus ihrer Trauer noch der Sucht der Tochter einen Hehl. Tom und Nancy Kemedy, die auf einer Insel vor South Carolina leben, erklärten, dass sie «tieftraurig» seien: «Eva war 20 Jahre lang eine hingebungsvolle Ehefrau und Mutter von vier geliebten und wundervollen Kindern. Während ihres kurzen Lebens unterstützte sie viele wohltätige Zwecke. Sie kämpfte tapfer viele Jahre gegen ihre Gesundheitsprobleme an.»
Der Schatten des Vaters
Hans Kristian Rausing und sein Bruder Gad sind die Söhne von Hans und Marit Rausing, die außerdem noch zwei Töchter namens Lisbet und Sigrid haben. Hans Senior führte in Schweden die Firma Akerlund & Rausing, die in den 40er Jahren das Tetrapak erfand. Heute werden jährlich 137 Milliarden der Kartons hergestellt: Der Hauptsitz des Unternehmens ist heute in der Schweiz.
Rausings Söhne übernehmen später das Geschäft und verlegen es aus Steuergründen 1982 nach England. Doch der Schatten des Vaters ist für Hans Kristian wohl zu groß, glaubt der «Guardian»: Anfang der 80er kommt er auf einer Indien-Reise erstmals in Kontakt mit Drogen. 1995 verkauft Hans Kristian seine Anteile an Bruder Gad, doch dieser stirbt schon vier Jahre später.
Schrecklich reich, gebildet und nett
Der 86-jährige Hans Senior und Gattin Marit leben heute auf einem riesigen Anwesen in East Sussex. Ihr Vermögen wird auf 7,6 Milliarden Euro geschätzt. Ihre Tochter Sigrid, eine studierte Anthropologin, ist eine anerkannte Herausgeberin und Wohltäterin. Lisbet hat einen Geschichtsabschluss der Harvard-Universität und arbeitet als Historikerin. Eigentlich sieht alles nach einer schrecklich reichen, schrecklich gebildeten und schrecklich netten Familie aus. Doch die Realität zeigt: Selbst in der High Society gibt es schwarze Schafe.
(L'essentiel Online/phi)