Radsport«Das Team ist mein Zuhause»
Neben den beiden Schleck-Brüdern ist Fabian Cancellara der dritte große Superstar im Team Leopard-Trek. Das Tageblatt führte ein Interview mit dem 29-jährigen Schweizer.

«Ich bin wirklich überrascht, wie die Gruppe bereits funktioniert. Es läuft alles sehr, sehr positiv.» Fabian Cancellara fühlt sich wohl mit den Schleck-Brüdern.
Tageblatt: Ich sag jetzt einfach mal 7.
Fabian Cancellara: «(grinst) Lucky seven.»
Warum die 7?
«Sie war immer irgendwo bei meinen Siegen. Startnummer 18, also 8 minus 1. Oder London, das war am 7.7. (2007, Sieg beim Prolog der Tour de France, d.Red.). Peking war auch was, Roubaix war was, es war immer irgendwo was mit der 7.»
Wie kam das zustande?
«Von Scarface, dem Film. Tony Montana, lucky seven und die Würfel. Das kam mit den Jahren so. Aber es war eigentlich eher der Mechaniker (Roger Theel, d.Red.), der damit kam. Man sucht dann etwas mit der 7, wenn das Rennen ist. Dann sucht man. Mit Plus, minus oder mal, kommt man immer auf die 7. Auf meinem Fahrrad hatten wir letztes Jahr die Würfel mit der 7.»
Wie wichtig sind Leute wie Roger Theel?
«Sehr wichtig. Die wissen immer, was ich gerne hätte. Das kostet mich weniger Zeit und Energie. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die Person, der Mensch, der hinter dem Mechaniker ist. Das ist manchmal sogar wichtiger.»
Dürfen die sich auch mal am Fahrrad austoben?
«Ja und nein. Die helfen vor allem, dass wir mit unseren Sponsoren alles noch verbessern können. Das beste Material wird von den besten Athleten getestet. Ich mache das ja auch fürs Team. Frank und Andy, die spüren weniger an einem Rad. Das sind ja Fliegengewichte. Ich bin schwerer und kann den Firmen Feedbacks mitgeben.»
Ist das auch ein Grundstein deiner Erfolge?
«Ja, auch. Das Wichtigste ist aber der Kopf und die Beine. Das andere Rundherum kann aber die Differenz machen.»
Du bist jetzt im Luxemburger Team, obwohl du noch einen gültigen Vertrag bei Saxo Bank hattest. Wie kam es zum Wechsel? Wurdest du aus dem Vertrag gekauft oder hast du das selbst tun müssen?
«Ich wollte eigentlich den Vertrag erfüllen. Verträge soll man respektieren. Durch die allgemeine Veränderung war ich aber nicht mehr zufrieden mit der Situation. Es war nicht so, dass weil 20 Leute bei Saxo Bank weggegangen sind, der Fabian Cancellara gedacht hat: ‚Ich muss jetzt auch weg.‘ Ich hatte dann mehrere Optionen. Es ging auch nicht ums Geld. Geld zu haben, ist nicht das, was einen glücklich macht. Es ist nicht wie im Fußball. Da sitzt du auf der Bank und klingeling kommt das Geld. Ich bin noch jung und will glücklich sein. Ich habe ein Zuhause und will ein zweites Zuhause. Und das ist das Team, wir sind 250 Tage im Jahr zusammen unterwegs. Da muss alles stimmen. Ich sag mal: Zusammen mit Bjarne (Riis) hat man sich schlussendlich auf eine gute Flasche Wein geeinigt.»
Nicht auf eine Dose Maca Loca?
«Ich weiß nicht, wo Maca Loca ist (Cancellara deutet auf die Sponsoren auf seinem Shirt, d.Red.). Ich weiß, dass es der Schweizer Verband hat und dass es ein gutes Getränk ist. Es ist immer lustig, wie viele Sachen in der Zeitung standen. Es war zu lesen: Schweiz kauft Schweizer raus nach Luxemburg. Da musste ich schmunzeln.»
Frank Schleck spricht immer von der «bande de copains».
«Ich bin wirklich überrascht, wie die Gruppe bereits funktioniert. Es läuft alles sehr, sehr positiv. Man hat sehr schnell ein hohes Niveau erreicht. Dank des Managements und all den Leuten, die dafür zuständig waren. Der Bus war da, die Autos, die Trikots, alles ist perfekt. Ich habe auch mit Brice Feillu gesprochen. Er hat mir gesagt: 'Bei Agritubel war die Atmosphäre auch gut, bei Vacansoleil hat es nicht so geklappt. Jetzt hier, alles ist riesig.' Oder Wouter Weylandt. Er war bei Quickstep, dennoch sagte er: 'Wow'. Oder die deutschen Fahrer. Jeder sieht, hier wird auch das beste Gemüse eingekauft. Hier wird nichts kopiert, auch nicht von Bjarne Riis.»
Was ist sportlich von Leopard-Trek für 2011 zu erwarten?
«Ideal wäre natürlich, ein Klassiker-Sieg, die Tour de France und das Weltmeistertrikot in unseren Reihen zu haben. Aber dazu muss schon alles perfekt laufen, man muss auch Glück haben.»
Gewinnt Andy Schleck die Tour de France?
«Ja, wir werden jedenfalls alles dafür machen. Mit Frank Schleck haben wir aber auch noch eine zweite Karte, die wir ausspielen können.»
UCI-Präsident Pat Mc-Quaid sagte bei der Vorstellung, dass das Team dem Radsport gut tun wird. Weshalb wird das so sein?
«Jeder wird von diesem Team profitieren. Auch Luxemburg, das ganze Land. Leopard ist kein arrogantes Team, wo nur bezahlt wird. Die Struktur ist gut und es wird nicht nur mit dem Geld umhergeworfen. Im Gegenteil. Die Ambiance verändert alles. Wir alle, Frank, Andy, ich, Jens Voigt, Stuart O’Grady und all diese jungen Fahrer, repräsentieren den neuen Radsport, so was wie die saubere Weste.»
Ist saubere Weste auch sauberer Radsport? Du bist dieses Jahr bereits zweimal getestet worden.
«Eigentlich waren es fünf Tests. Dreimal Blut und zweimal Urin. Das gehört zu meinem Beruf mittlerweile. Eine weiße Weste kann man sich nicht kaufen. Es zeigt, dass das System funktioniert. Es gibt immer weniger Fälle, obwohl es immer schwarze Schafe geben wird. Der Radsport ist inzwischen ein Exempel für den Sport allgemein geworden. Egal wie verseucht ein Sport ist, es müsste für alle gleich sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei uns ein schwarzes Schaf rumläuft. Wenn es trotzdem so sein sollte, ich würde es nicht verstehen. Bei uns ist null Toleranz, das weiß jeder, und das ist 365 Tage im Jahr so.»
Kennst du Flavio Becca?
«Ja, auch er ist nicht arrogant. Er war Maurermeister, sein Vater Gleisebauer. Es ist kein Neureicher. Er hat sein Geld aus dem Boden gestampft. Er weiß genau, wie es unter dem Euro ausschaut. Er macht mit diesem Team sicherlich auch Business. Und auch wenn er eigentlich nicht mehr arbeiten müsste, er arbeitet permanent 14, 16 Stunden am Tag. Er ist auch für mich ein Riesenexempel.»
Wird man dich in Zukunft vielleicht öfter in Luxemburg sehen?
«Kann sein, obwohl ich mich zu Hause wohlfühle und ansonsten 250 Tage im Jahr unterwegs bin. Aber wir machen ja vielleicht mal einen Lehrgang von einer Woche oder so in Luxemburg. Und auch wenn die Relationen zwischen Luxemburg und der Schweiz im Moment nicht ideal sind ... (lacht) wegen der Affäre Blocher. Ich habe Blocher und Juncker kennengelernt. Blocher ist ein harter Hund, aber jemanden mit Hitler zu vergleichen, ist schon heftig. Das macht man nicht.»
Christoph Junker / Tageblatt