Neues Material: Deine Kleidung könnte sich in Zukunft selbst reparieren

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Neues MaterialDeine Kleidung könnte sich in Zukunft selbst reparieren

Nachhaltigkeit ist auch in der Mode ein Thema. Britische Forschende bringen den Aspekt nun auf ein neues Level: Sie haben Material entwickelt, das sich selbst repariert.

Fee Anabelle Riebeling
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Fee Anabelle Riebeling
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Nur weil etwas wie Leder aussieht, muss es noch lange nicht aus Leder bestehen. (Im Bild: Stella-McCartney-Show an der Paris Fashion Week, März 2023)

Nur weil etwas wie Leder aussieht, muss es noch lange nicht aus Leder bestehen. (Im Bild: Stella-McCartney-Show an der Paris Fashion Week, März 2023)

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Das stellt Designerin Stella McCartney mit ihrem Modelabel unter Beweis, bei dem sie komplett auf tierische Produkte verzichtet. (Im Bild: McCartney an der Paris Fashion Week, März 2023)

Das stellt Designerin Stella McCartney mit ihrem Modelabel unter Beweis, bei dem sie komplett auf tierische Produkte verzichtet. (Im Bild: McCartney an der Paris Fashion Week, März 2023)

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Bei der Vorstellung ihrer Frühjahrs-/Sommer-Kollektion 2023 präsentierte sie eine Tasche aus Pilzleder. 

Bei der Vorstellung ihrer Frühjahrs-/Sommer-Kollektion 2023 präsentierte sie eine Tasche aus Pilzleder. 

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Aussortierte Kleidung recyceln statt wegwerfen – das ist schon länger das Gebot der Stunde. So lassen sich schon längst neue Kleider aus recycelter Baumwolle herstellen.

Doch auch neue Materialien stehen hoch im Kurs: etwa veganes Leder, das aus Ananas, Apfelschalen oder Pilzen statt aus Tierhäuten gefertigt wird. Sogar Prominente haben diese Entwicklung für sich entdeckt und mischen bei entsprechenden Start-ups bereits mit.

Forschende der Universitäten Newcastle und Northumbria in Großbritannien gehen noch einen Schritt weiter: Mit einem neuen Verfahren bringen sie ein neues Material auf Pilzbasis dazu, sich selbst zu reparieren. Von ihrer Arbeit berichten sie im Fachjournal «Advanced Functional Materials». 

Pilz nicht abtöten, sondern sein Talent nutzen

Das Trio um die Bauingenieurin Elise Elsacker beschäftigte sich in der Studie mit dem Pilz Glänzender Lackporling (Ganoderma lucidum). Konkret mit dessen Myzel. So nennen Fachleute die verzweigten, fadenförmigen Zellen eines Pilzes (siehe Bildstrecke), die, ineinander verschlungen, verfilzte Strukturen bilden können.

Dass sich aus diesem Myzel ein besonders strapazierfähiger Lederersatz herstellen lässt, ist schon lange bekannt. Auf Myzel basierte Materialien werden bereits in einer Vielzahl von Bereichen eingesetzt, im Bauwesen genauso wie in der Textilindustrie. Auch die Autobranche hat solches Pilzleder für sich entdeckt.

Doch die bisherigen Verfahren zur Herstellung eines solchen Leders «neigen dazu, die Chlamydosporen abzutöten», so Elsacker und ihr Team. Diese dienten dem Pilz eigentlich dazu, sich selbst zu regenerieren. Deshalb haben sie nach einer Möglichkeit geforscht, das Ausschalten der Sporen zu verhindern und so die Selbstheilungskräfte des Materials beizubehalten.

Pilz-Material repariert sich selbst

Die Suche war erfolgreich: «Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Myzelmaterialien in trockenen und nährstoffarmen Umgebungen überleben können und eine Selbstheilung mit minimalem Eingriff nach einer zweitägigen Erholungsphase möglich ist», schreiben die Forschenden.

Dem Trio gelang dies mit einer Mischung aus Myzelien und Chlamydosporen, die einer Flüssigkeit mit Kohlehydraten, Proteinen und anderen Nährstoffen beigemengt wurde. Daraus entstand ein Stoff, der in ihn hinein gestanzte Löcher wieder zuwachsen ließ. Sie symbolisierten Kleiderschäden, wie sie zum Beispiel durch Mottenfraß entstehen. Voraussetzung dafür war, dass das Material während dieser «Selbstheilung» derselben Flüssigkeit ausgesetzt war wie bei seiner Entstehung.

Tests zeigten, dass das reparierte Material genauso robust war wie zuvor. Allerdings ließ sich immer noch erkennen, wo sich die Löcher befunden hatten.

Weitere Forschung notwendig

Zwar ist das untersuchte Material noch zu dünn, um in Kleidung eingesetzt zu werden, aber die Forschenden sind zuversichtlich, dass sie dieses Problem in Zukunft lösen können. «Die Fähigkeit dieses regenerativen Myzelmaterials, Mikro- und Makrodefekte zu heilen, eröffnet interessante Zukunftsaussichten für einzigartige Produktanwendungen als Ersatz für Lederwaren wie Möbel, Autositze und Modebekleidung», so das Trio.

«Technisch hergestellte lebende Materialien, die vollständig aus Pilzzellen bestehen, bieten aufgrund ihrer funktionellen Eigenschaften wie Selbstorganisation, Wahrnehmung und Selbstheilung ein erhebliches Potenzial», ist sich das Team um Elsacker sicher. Es seien interessante Zeiten für die sogenannten «Engineered Living Materials», also von Materialien, in denen lebende Zellen als aktive Komponenten verwendet werden, um nichtlebender Materie lebensähnliche Fähigkeiten zu verleihen. 

Wie findest du die Vorstellung, «lebende» Kleider zu tragen?

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