Gareth BaleDer einzige Starstürmer, der an der EM liefert
Gareth Bale hat in allen Gruppenspielen der Waliser getroffen. Damit ist er Ronaldo, Ibrahimovic und anderen Größen ihres Fachs weit voraus.

Die EM ist bisher sein Turnier. Gareth Bale tut, was man von einem Mann mit seinem Status gemeinhin erwartet: Er erfüllt die Hoffnungen einer ganzen Nation, die größtenteils auf seinen Schultern lasten. Drei der sechs walisischen Tore hat der Supersprinter mit dem linken Samtfuß, der Real Madrid vor bald drei Jahren über 100 Millionen Euro wert war, in Frankreich bereits erzielt. In jedem Match eines. Als siebter Spieler überhaupt und als erster seit 12 Jahren. Dass seine Freistoßtreffer gegen die Slowakei und gegen England keineswegs unhaltbar waren, interessiert höchstens Nörgler.
Mit Bale als Leitwolf haben sich die walisischen EM-Debütanten zur Turnierüberraschung gemausert und die Gruppe B gewonnen. Vor England, dem Rivalen aus dem eigenen Königreich. Der 26-Jährige hatte seine Mannschaft mit sieben Toren bereits durch die Qualifikation getragen. Nun, auf der großen Bühne, setzt er seine Torproduktion nahtlos fort. Damit ist er den anderen Granden der Angreifer-Gilde weit voraus.
Cristiano Ronaldo: Horror in Zahlen
Chancen? Hat Cristiano Ronaldo im Multipack. Tore? Fehlanzeige. Der Clubkollege von Bale feuert aus allen Lagen, deckt Gegner, Torhüter und manchmal auch Zuschauer mit Schüssen ein, zwanzig waren es insgesamt gegen Island und Österreich, doch die Null bleibt bestehen. Eine Zahl, die das ronaldozentrische Weltbild ins Wanken bringt. Erst recht, wenn der Superstar auch noch einen ruhenden Ball aus elf Metern an den Pfosten setzt.
Selbstzweifel dürften den dreifachen Weltfußballer, auf dessen Quote von über einem Tor pro Spiel bei Real Madrid auch jeder Eishockeyspieler neidisch wäre, deswegen nicht befallen. Trotzdem sollte er, der Kapitän , vielleicht einmal auf die Fähigkeiten seiner Mitspieler vertrauen. 36 erfolglose Freistöße an WM- oder EM-Endrunden (Negativrekord) und zuletzt vier von sechs verschossene Elfmeters in Club und Nationalteam sollten Anlass genug sein. Aber vielleicht beendet er seine Tormisere ja schon am Mittwoch gegen Ungarn. Und jubelt dann, als hätte er Portugal in den Fußball-Olymp geschossen.
Zlatan Ibrahimovic: Gott ohne Wirkung
Auch der 34-jährige Schwede ist ein Mann der großen Worte. Und des großen Gestus. Zlatan Ibrahimovic bezeichnet sich wahlweise als Gott oder Legende, nicht immer ganz ernst gemeint, und schwebt irgendwo zwischen Erde und Himmel – jedenfalls in anderen Sphären als seine Teamkollegen. Normalerweise zementiert Ibrahimovic seinen Ausnahmestatus mit erstaunlicher Regelmäßigkeit, indem er Tor um Tor erzielt, ob für seinen Arbeitgeber oder die Nationalmannschaft, für die er in der Qualifikation elfmal einnetzte.
In Frankreich, wo er in den vergangenen vier Jahren den Clubfußball regiert hat, will ihm partout nichts gelingen. Nun gut, er hat das bisher einzige schwedische Erfolgserlebnis – Irlands Eigentor beim 1:1 – provoziert. Das ist aber viel zu wenig für eine selbsternannte Legende. Von Gott schon gar nicht zu reden.
Robert Lewandowski: Von 13 auf unsichtbar
Die Qualifikation dominierte Lewandowski mit 13 Toren fast nach Belieben, die Bundesliga-Saison mit den Bayern schloss er mit deren 30 ab. Real Madrid umgarnt ihn immer wieder gerne, und Lewandowski schmeicheln die Avancen aus der spanischen Hauptstadt. Die Zahlen zu den total 180 Minuten gegen Nordirland und Deutschland tun es nicht. Schüsse aufs Tor: 0. Schüsse nebens Tor: 0. Geblockte Versuche: 2. Kurz: ein Totalausfall.
Thomas Müller: WM ja, EM nein
Sobald sich die besten Mannschaften des Planeten zum großen Schlagabtausch versammeln, läuft er zur Höchstform auf. Zehn WM-Tore hat Thomas Müller bereits auf seinem Konto, je fünf von 2010 und 2014. An Kontinentalmeisterschaften hingegen wartet der Bayern-Angreifer auf die Premiere. «Mich persönlich stört gar nicht, dass ich noch kein Tor geschossen habe an einer EM, sondern dass ich die letzten zwei Spiele eigentlich keine wirkliche Tormöglichkeit hatte», sagte der 26-Jährige nach dem 0:0 gegen Polen.
Harry Kane: Müde gespielt?
Er kam als Torschützenkönig der Premier League über den Ärmelkanal. 25-mal hatte Harry Kane Tottenham in der abgelaufenen Saison jubeln lassen. Englands Trainer Roy Hodgson gab ihm den Vorzug gegenüber der Leicester-Sensation Jamie Vardy (24 Tore), doch Kane will nichts gelingen. Spielte er zum Auftakt gegen Russland 90 Minuten, waren es gegen Wales noch 45, ehe er am Montag gegen die Slowakei ab der 76. stürmen durfte. Ob als Stammkraft oder als Joker: Der 22-Jährige ist kein Faktor. Der frühere Nationalspieler Glenn Hoddle hat eine These zu Kanes blassem Auftreten: «Er wirkt müde, das hat sich schon in den Testspielen gezeigt. Kein Wunder, seit Juli 2014 hat er 133 Partien bestritten.»
(L'essentiel)