Luca ToniDer Letzte seiner Art nimmt seinen Hut
Luca Toni tritt zurück. Der Weltmeister von 2006 geht nach 22 Jahren als Profi und 323 Toren. Wir werden ihn vermissen.

epa03835950 Italian forward of Verona, Luca Toni, jubilates after scoring a goal during the Italian Serie A soccer match between Hellas Verona and AC Milan at Bentegodi stadium in Verona, Italy, 24 August 2013. EPA/VENEZIA
Seine Tore, sein Markenzeichen-Jubel mit der rechten Hand am Ohr, aber auch seine Art neben dem Platz. So brachial die Spielweise des 1,93 Meter großen Sturmtanks war, so feinsinnig, charmant und selbstironisch konnte er im Gespräch sein. Wie 2006, als er nach dem WM-Titel mit Italien gefragt wurde, wie lange seine Karriere realistischerweise dauern werde. Seine Antwort: «Ich kann ja unmöglich noch langsamer werden. Also kann ich auch für immer spielen.»
Am Sonntag wird Luca Toni mit Absteiger Hellas Verona gegen Meister Juventus Turin sein letztes Profi-Spiel bestreiten. Dabei war er schon einmal zurückgetreten. Im Januar 2012 ging er nach einem Jahr bei Juventus zu Al-Nasr nach Dubai. Das reiche Emirat am Persischen Golf ist eine beliebte Destination für sportliche Frührentner. So hätte es sein sollen: ein paar Monate in der Wüste und dann die Füsse hochlegen. Doch es gab jemanden, der definitiv etwas gegen diesen Plan einzuwenden hatte: Marta Cecchetto, langjährige Lebensgefährtin und Mutter seiner beiden Kinder: «Marta fand, sie würde es nicht aushalten, mich ständig zuhause zu haben. ‹Mach weiter›, sagte sie.»
Berbatov als Türöffner
Als sich ein Angebot aus Siena zerschlug, weil die Toskaner in die Serie B abstiegen, sah es tatsächlich danach aus, als ob sich Marta mit der ständigen Anwesenheit ihres Gatten würde abfinden müssen. Doch dann entschied sich Dimitar Berbatov am letzten Transfer-Tag für Fulham und gegen die Fiorentina. Das Telefon von Luca Toni klingelte, und am anderen Ende der Leitung fragte sein früherer Arbeitgeber Andrea Della Valle, ob er sich vorstellen könne, noch einmal das violette Leibchen überzustreifen.
Fünf Jahre zuvor hatte Toni die Fiorentina verlassen, um mit dem FC Bayern deutscher Meister, Cupsieger und Bundesliga-Topskorer zu werden. In Florenz fand er rasch zu seiner alten Form zurück. Doch er musste feststellen, dass er in den mittelfristigen Plänen des Clubs keine Rolle spielte, und wechselte nach einem Jahr schon wieder, diesmal zu Aufsteiger Hellas Verona.
Sein Debüt beging er mit einem Doppelpack gegen die AC Milan. Die zwei Tore seien für Marta und seine zwei Monate alte Tochter Bianca, erklärte er hinterher: «Ich habe kein drittes Tor geschossen, weil ich nicht wusste, wem ich es hätte widmen sollen.» Tragischer Hintergrund des lockeren Spruchs: 15 Monate zuvor war das erste Kind des Paares, ein Junge, tot zur Welt gekommen. Im Juli 2014 gebar Marta dann einen gesunden Sohn namens Leonardo. Den Namen des toten Sohnes, Matteo, trägt Toni als Tattoo auf seinem Bizeps.
Kritik an der Serie A
In seiner ersten Saison bei Hellas Verona schoss Toni 20 Tore, in der Folgesaison wurde er mit 22 Toren sogar nochmals Torschützenkönig der Serie A - neun Jahre, nachdem ihm das mit der Fiorentina gelungen war. Die Liga sei mit den Jahren etwas einfacher geworden, stellte Toni ungerührt fest. «Als ich 2000 in der Serie A anfing, musste man technisch sehr stark sein. Heute ist das Spiel physischer. Das Niveau ist gesunken.»
Mit dem Rücktritt von Luca Toni verliert der Fußball einen großen Stürmer und das vielleicht letzte herausragende Exemplar einer ganzen Spielergattung. In einer Zeit, in der von einem Angreifer erwartet wird, der erste Verteidiger zu sein, sich an einem aggressiven Pressing zu beteiligen, gleichzeitig Auslöser und Vollstrecker von blitzschnellen Konterattacken zu sein, ist ein Strafraum-Stürmer im Stile eines Luca Toni ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit. Mit Toni geht nicht nur ein Stürmer, es verschwindet eine ganze Art.
(L'essentiel)