Dem Albtraum entkommen – Der Mann, der in einem US-Knast vergessen ging

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Dem Albtraum entkommenDer Mann, der in einem US-Knast vergessen ging

2005 wurde Stephen Slevin wegen Trunkenheit am Steuer verhaftet. Zwei Jahre saß er hinter Gittern – ohne Urteil. Nun sprach ihm ein Gericht 22 Millionen Dollar Schmerzensgeld zu.

Stephen Slevin bei seiner Verhaftung 2005 (links) und im Mai 2007: Die Gefängnis-Bilder waren im Prozess ein wichtiger Beweis, weil sie die Verwahrlosung des Klägers augenscheinlich belegt haben. (Bild: Keystone/AP)

Stephen Slevin bei seiner Verhaftung 2005 (links) und im Mai 2007: Die Gefängnis-Bilder waren im Prozess ein wichtiger Beweis, weil sie die Verwahrlosung des Klägers augenscheinlich belegt haben. (Bild: Keystone/AP)

Dieser Mann wurde behandelt wie der letzte Dreck: Ohne Prozess landete Stephen Slevin 2005 wegen Alkohol am Steuer im «Dona Ana County»-Knast im US-Bundesstaat New Mexiko. Der 58-Jährige durfte weder einen Rechtsanwalt sprechen, noch seine Medikamente nehmen, die er gegen seine Depressionen braucht. Wegen dieser Krankheit wurde Slevin, der verhaftet wurde, auch noch in Einzelhaft gesteckt. Zwei Jahre vegetierte er in einer 1,8 mal 3,3 Meter großen Zelle vor sich hin.

Wegen Isolation und Mangelernährung verlor er stark an Gewicht. Die Vernachlässigung zeigte sich in Pilzerkrankungen und Fingernägeln, die sich rollten, weil sie schon so lang waren. «Sie haben ihn in Einzelhaft genommen und dann ignoriert», sagte sein Anwalt Matthew Coyte zu CNN. «Er fiel ins Delirium, sein Geisteszustand verschlimmerte sich durch die Isolation von anderen Menschen und das Fehlen medizinischer Versorgung.» Erst im Juni 2007 wurde sein Klient erlöst.

Er zog sich selbst einen Zahn

In der kleinen Zelle bekam Slevin Druckgeschwüre. Haarsträubend: Der Knastinsasse durfte trotz Schmerzen keinen Zahnarzt sehen: Der Verwahrloste zog sich deshalb selbst einen Zahn, berichtet «The Daily». «Er hat über acht Stunden an ihm herumgewackelt, bis er in der Lage war, ihn selbst zu ziehen», erläuterte Coyte.

Nach einiger Zeit durfte Slevin zwar einen Doktor sehen und verbrachte einige Wochen in einer Nervenheilanstalt, wurde dann aber wieder ins Gefängnis zurückgeschickt, obwohl ihm nie ein Prozess gemacht worden war.

Der Fehler kommt den Staat nun teuer zu stehen: Ein Bundesrichter in Santa Fe hat dem Justizopfer 22 Millionen Dollar zugesprochen: Noch nie bekam ein Gefängnisinsasse mehr Geld, weiß CNN. «Es ging mir nie ums Geld», sagte Slevin dem Sender KOB nach dem Urteil. Er leidet seit seinem Aufenthalt unter posttraumatischen Stress.

«Diese Behandlung war Routine»

Slevin will den aktuellen Richterspruch dann auch als ein «Statement» verstanden wissen. «Ich wollte, dass man erfährt, dass die Leute im Dona-Ana-County-Gefängnis solche Sachen mit Insassen machen und davonkommen. Diese Behandlung war Routine. Aber das passiert überall im Land.»

Die Wärter «sind jeden Tag an mir vorbeigegangen und haben zugesehen, wie ich abbaue», sagte Slevin bei KOB. «Tag für Tag für Tag. Sie taten nichts, überhaupt nichts, um mir zu helfen. Warum sie getan haben, was sie getan haben, weiß ich nicht.»

Der Bericht des US-Senders KOB

(L'essentiel Online/phi)

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