Putin-Gegner tot – Der mysteriöse Tod des Boris Beresowski

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Putin-Gegner totDer mysteriöse Tod des Boris Beresowski

Hat sich Oligarch Boris Beresowski umgebracht? Kurz vor seinem Tod sprach der schwerreiche Russe und Kreml-Kritiker von verlorener Lebensfreude.

Der 67-jährige einstige Multimilliardär galt als Intimfeind von Kremlchef Wladimir Putin und unterstützte die russische Opposition mit Geld.

Der 67-jährige einstige Multimilliardär galt als Intimfeind von Kremlchef Wladimir Putin und unterstützte die russische Opposition mit Geld.

Rätselhafter Tod eines einflussreichen Putin-Kritikers im Exil: Völlig überraschend ist der Oligarch Boris Beresowski am Samstag tot in seinem Haus in Ascot bei London im Badezimmer gefunden worden. Die Polizei ermittelte am Sonntag fieberhaft zur Todesursache. Der 67-jährige einstige Multimilliardär galt als Intimfeind von Kremlchef Wladimir Putin und unterstützte die russische Opposition mit Geld. Aus dem Umfeld Beresowskis sickerte durch, der Unternehmer und Politiker habe unter Depressionen gelitten - und es könnte sich um einen Freitod gehandelt haben.

Experten überprüften das Haus vorsorglich auf radioaktive Strahlung und Verseuchung mit chemischen oder biologischen Substanzen. Gefunden wurde am Sonntag aber nichts, wie die Thames Valley Police mitteilte. Beresowski hatten in der Vergangenheit schon einmal einen Mordanschlag überlebt.

Anwesen weiträumig abgesperrt

Auch am Sonntag war die Leiche zunächst nicht aus dem Haus gebracht worden. «Wir haben mehrere Rettungssanitäter und einen Krankenwagen entsandt. Sie stellten den Tod des 67-jährigen Mannes fest», sagte ein Sprecher des Rettungsdienstes. Der Kreml nahm die Nachricht vom Tod Beresowskis gelassen auf. Putins Sprecher Dmitri Peskow sagte, dass Russland ein Begräbnis in Moskau prüfen könne.

In Ascot (Grafschaft Berkshire) hatte der im Jahr 2000 ins Vereinigte Königreich geflohene Beresowski einen seiner beiden britischen Wohnsitze, der andere war in London. Die Gegend um das Anwesen war am Sonntag zunächst weiträumig abgesperrt, ehe die Vorkehrungen am Mittag gelockert wurden.

Selbstmord?

Die Polizei ermittele umfassend, sagte eine Sprecherin. Ein Familienmitglied Beresowskis sprach russischen Berichten zufolge von einem möglichen Selbstmord.
Die russische Ausgabe des Magazins «Forbes» hat gestern im Internet ein Interview mit dem russischen Oligarchen Boris Beresowski veröffentlicht, das kurz vor dessen Tod geführt worden war. Darin sagt der erklärte Kremlkritiker: «Mein Leben hat keinen Sinn mehr». Er habe keine Lust Politik zu machen. «Ich weiss nicht, was ich tun soll. Ich bin 67 Jahre alt. Und ich weiss nicht, was ich in Zukunft machen soll», sagte der Intimfeind des russischen Präsidenten Wladimir Putin demnach am Freitagabend.

Andere Angehörige wiederum gingen von einer «natürlichen Todesursache» aus. Sasha Nerozina, eine gute Bekannte Beresowskis, sagte dem Sender Sky News: «Es gibt nichts Verdächtiges, soweit ich informiert bin.»

Der erbitterte Putin-Gegner war auch ein enger Vertrauter des 2006 in London mit radioaktivem Polonium vergifteten russischen Ex-Spions Alexander Litwinenko.

Massive finanzielle Probleme

Das Magazin «Forbes» führte Beresowski auf seiner Liste der Superreichen 1997 mit einem Vermögen von drei Milliarden und im Jahr 2007 noch mit mehr als einer Milliarde US-Dollar. Medien hatten zuletzt allerdings über massive finanzielle Probleme geschrieben. Unter anderem soll Beresowski mehrere Werke aus seiner großen Kunstsammlung zum Verkauf angeboten haben. Ein Werk von Andy Warhol, das seinem Besitz zugerechnet wurde, war erst in der vergangenen Woche beim Auktionshaus Christie's für 133 000 britische Pfund unter den Hammer gekommen. 2009 soll Beresowskis Vermögen bereits auf 450 Millionen Dollar zusammengeschrumpft gewesen sein.

Im vergangenen Jahr hatte Beresowski in London einen spektakulären Prozess gegen seinen Landsmann, den Oligarchen Roman Abramowitsch, verloren. Beresowski hatte umgerechnet mehr als 3,5 Milliarden Euro gefordert, weil Abramowitsch ihn zum übereilten Verkauf von Öl-Aktien unter Preis überredet haben soll. Am Ende ging Beresowski leer aus und musste noch erhebliche Anwaltskosten zahlen. Nach Informationen des Magazins «The Lawyer» belief sich die Rechnung für Anwalts- und Gerichtskosten insgesamt auf mehr als 100 Millionen Pfund (117 Millionen Euro). Auch eine gerichtliche Auseinandersetzung mit seiner Ex-Partnerin Jelena Gorbunowa soll ihm teuer zu stehen gekommen sein.

Aufstieg und Fall

Dem Ex-Geheimdienstchef Putin verhalf er nach eigenen Worten einst ins Amt, überwarf sich aber wenig später mit ihm im Streit um die politische Ausrichtung eines Fernsehsenders. 2000, als Putin zum ersten Mal Präsident wurde, ging er ins Exil nach Großbritannien, wo ihm wenig später politisches Asyl gewährt wurde.

Jahrelanges Tauziehen um Auslieferung

Die russischen Behörden legten ihm nach seiner Übersiedlung zahlreiche Wirtschaftsverbrechen zur Last und forderten von Großbritannien seit Jahren die Auslieferung. Unter anderem wurden mehrere Jachten Beresowskis beschlagnahmt.

Die Regierung in London hatte eine Auslieferung stets abgelehnt. Auch wegen Beresowski - der mehrmals behauptet hatte, sein Leben sei bedroht - sind die britisch-russischen Beziehungen massiv gestört. Erst vor einer Woche hatten sich die Außen- und Verteidigungsminister beider Länder in London getroffen. Auch Putin hatte in der vergangenen Woche ein Telefonat mit Premier David Cameron, hieß es in Moskau.

(L'essentiel Online/dpa/hhs/sda)

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