Rebell isst Herz – Deswegen verroht der Mensch im Krieg

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Rebell isst HerzDeswegen verroht der Mensch im Krieg

Das Video eines syrischen Rebellen, der das Herz eines Soldaten herausschneidet und damit spielt, löste eine Welle der Entrüstung aus. Es stellt sich die Frage: Wie können Menschen so etwas tun?

Was machte Abu Sakkar zum «Monster»? (Screenshot: YouTube)

Was machte Abu Sakkar zum «Monster»? (Screenshot: YouTube)

Die Bilder verbreiteten sich am Dienstag in den Medien wie ein Lauffeuer und lösten weltweite Empörung aus. Der syrische Rebellenkämpfer Abu Sakkar hatte in einem Video festgehalten, wie er die Leiche eines feindlichen Soldaten aufschlitzt. Anschließend reißt er dem Toten das Herz und die Leber aus dem Leib und tut so, als würde er in das Herz beißen.

Auf YouTube, LiveLeak und sozialen Netzwerken fragten sich die Benutzer in den Kommentaren nur eines: Was ist das für ein Mensch, der zu einem solch grausamen Akt fähig ist? Einige glauben, eine Antwort darauf zu haben: «Es sind Monster.» Der Syrer Abu Sakkar sei «nicht menschlich», erklären sie, er sei «einfach diabolisch böse». Keiner fragt sich jedoch, was oder wer Abu Sakkar zu einem solchen «Monster» gemacht hat.

Menschen werden zu «Monstern» dressiert

James Dawes, Leiter des Menschenrechtsprogramms am Macalester College und Autor des Buches «Evil Men», kennt die Seelen solcher «Monster». In einem Artikel auf «CNN» erzählt er von den Kriegsverbrechern, mit denen er während seiner Forschungsarbeit persönlich zu tun hatte. Er weiß: «Sie haben nicht mit Leichenschändungen, Folterungen oder Kindermassakern begonnen. Sie wurden alle langsam dort hingeführt. Diese Männer sind keine natürlichen Monster. Sie wurden zu Monstern dressiert.»

Die Methode umfasse vier Schritte, so Dawes. Zuerst rekrutiert man einen Mann und isoliert ihn völlig. Man trennt ihn von seiner Familie und platziert ihn in einer «Informationsblase». Man formt ihn den Werten seines neuen Umfelds entsprechend, man macht ihn unsicher und lobbedürftig. Das ist, nach Ansicht von James Dawes, der erste Schritt in jedem Krieg.

Extreme Positionierung und hartes Training

In Phase Zwei wird dem Mensch im Krieg eine Welt in Schwarz-Weiß präsentiert. «Es gibt keine Grauzonen», so der Experte, «entweder bist du mein Freund oder mein Feind, rein oder unrein.» Dazu wird die Sicherheit der Liebsten infrage gestellt. Diese seien «außer Gefahr oder einem unmittelbaren Risiko ausgesetzt». In dieser Phase kann man nur «ganz Recht haben oder ganz falsch liegen».

In der dritten Phase wird der Rekrut mit brutalen und anhaltenden Kampfsituationen physisch und seelisch fertiggemacht. Er wird so lange trainieren müssen, bis er nicht mehr klar denken kann. Gleichzeitig unterliegt er einem willkürlichen und strengen Belohnungssystem. Bald wird er sich hilflos fühlen. «Ein Mann, der das Gefühl hat, die Kontrolle über sich selbst verloren zu haben, ist ein gefählicher Mann», sagt Dawes. Indem er «andere verletzt, kann er seine Kontrolle zurückgewinnen.»

«Klein anfangen»

Die vierte und letzte Phase sei die wichtigste: «klein anfangen.» Jetzt werden die Gräueltaten «Schritt für Schritt» verübt. Der Mann wird in einem fremden Umfeld ohne klare Vorschriften seinem Schicksal überlassen. Dann wird die Aggression langsam gesteigert. Jeder Akt, den er auführt, um zu überleben, wird den nächsten einfacher aussehen lassen. Die Gewalt «kommt von selbst».

«Das erste Mal ist es erschreckend, wenn er einen Dorfbewohner umbringt. Das zweite Mal ist hart. Ab dem dritten und vierten wird es sich einfacher anfühlen. Mit der Zeit wird dieser Mann mit anderen darum konkurrieren, wer die meisten oder am schnellsten oder gar am kreativsten tötet.» Das «Monster» ist entstanden.

Gleiche Methode, um «Helden» zu formen

James Dawes glaubt, dass die gleiche Methode, die zur Kreation von «Monstern» wie dem Rebellen Abu Sakkar angewendet wird, auch die Grausamkeiten des Krieges stoppen kann. Um Menschen zu «Helden» zu dressieren, müsse man nur die Reihenfolge der vier Schritte umkehren: «Als Erstes nehme man einen Mann und fange klein an», behauptet der Menschenrechtsexperte.
Nächstenliebe und Zivilcourage wird dabei gross geschrieben. «Sich gegen Ungerechtigkeit zu wehren, wird mit der Zeit immer einfacher sein.»

Dann wird ein klares Regelwerk aufgebaut, mit vorhersehbaren Konsequenzen. Der Mensch muss lernen, dass «er die Wahl hat und dass seine Entscheidungen Folgen haben». Im dritten Schritt wird ihm gezeigt, dass die Probleme der Welt nicht so einfach wie «sie gegen uns» oder «gut versus böse» sind. Es gibt keine einfache Lösungen bei komplexen Problemen.

Als letzte Maßnahme sollte man den jungen Menschen beibrigen, «den anderen» zu spüren. Diversität, kulturelle Werte, Information aus verschiedenen Quellen, Ortsveränderungen sind dabei massgebend. «Wenn der Mann dann in den Krieg zieht, wird er seinen Feind als einen Mann wie sich selbst sehen. Er wird seine Menschlichkeit erkennen und dadurch wird er seine eigene erhalten.»

(L'essentiel Online/kle)

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