Reaktionen aus der Politik«Die Debatte folgt der Logik der Menschenjagd»
LUXEMBURG – «Scheußlich», «entsetzlich», «respektlos»: Die Berichterstattung der britischen «The Sun» empört die luxemburgische Politik.

Die Behauptungen der britischen Boulevard-Zeitung The Sun empört die luxemburgische Politik. (Screenshot: L'essentiel)
Die Anschuldigungen und das Verhalten der Journalisten des britischen Boulevard-Blatts The Sun empören die Politik. Am vergangen Freitag schrieb die Zeitung über Jean-Claude Juncker, den Kandidaten für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten, er sei «der gefährlichste Mann Europas» und unterstellte ihm unter anderem ein Alkoholproblem. Am Sonntag legte The Sun nach und behauptete, der Vater des ehemaligen Luxemburger Premiers habe «an der Seite von Hitler gekämpft». Eine Bemerkung, die besonders unfair erscheint, als dass der Mann im Laufe des Zweiten Weltkriegs eingezogen wurde. «Genauso dumm wie böswillig: Diese Worte sind ein Schlag ins Gesicht für all jene, die unter Zwang eingezogen wurden und es gehasst haben, die Nazi-Uniform zu tragen», beklagte sich alsbald Junckers Partei, die CSV, in einer Stellungnahme.
«Jean-Claude Juncker und seine Familie mit dem Nationalsozialismus in Verbindung zu bringen hat nichts mit öffentlicher Informationsarbeit zu tun, sondern ist einfach nur bösartig. Das ist nicht Aufklärung durch die Medien, sondern blinde Zerstörungswut. Ich bin angewidert von diesem Vergleich, der eine völlige Ignoranz der luxemburgischen und europäischen Geschichte durch die britische Boulevardpresse zur Schau stellt», echauffiert sich Viviane Reding, Vize-Präsidentin der europäischen Kommission und ehemalige Journalistin: «Pressefreiheit ohne Deontologie kann zu Auswüchsen führen, wie es ein Teil der britischen Boulevardpresse am Wochenende bewiesen hat.»
«Die Grenze des Akzeptablen überschritten»
Eine Reaktion, die über Parteigrenzen hinweg geteilt wird. «Die britische Presse hat definitiv alle Grenzen der Zumutbarkeit überschritten», twitterte beispielsweise Infrastrukturminister François Bausch (Déi Gréng) und hing den Hashtag #dégoutant (zu Deusch: ekelhaft) an. «Die Angriffe auf die Ehre von Jean-Claude Juncker sind an Gemeinheit selten erreicht worden», bedauert auch Charles Goerens, Europaabgeordneter der DP: «Diese verabscheuungswürdigen Bemerkungen haben zum Ziel, die politische Debatte zu verlassen und folgen der Logik der Menschenjagd.»
Gegenüber L’essentiel erklärt Paul Konsbruck, Pressesprecher von Xavier Bettel, dass «der Premierminister das Niveau der Diskussion weder anerkennt noch unterstützt. Er hofft, dass im Mittelpunkt der Debatte um die Ernennung eines neuen Präsidenten der EU-Kommission künftig wieder politische Inhalte und keine Personen stehen.» Mehr wolle Bettel zu den abscheulichen Aussagen der britischen Presse nicht sagen.
(lb/pw/L'essentiel)