Hongkong«Die Situation ist völlig außer Kontrolle geraten»
In der Metropole Hongkong kommt es seit gut zwei Monaten immer wieder zu massiven Protesten. Europäer erzählen von den Geschehnissen vor Ort.

In den letzten Tagen sind mehrere Demonstrationen in Hongkong eskaliert. Auch in der Nacht auf Mittwoch kam es noch zu mehreren Verhaftungen von Demonstranten. der Schweizer M. K.* lebt in der Stadt und erlebt die Situation gerade hautnah: «Bereits vergangene Woche bin ich in eine Demonstration hineingelaufen. Dabei wurde der gesamte Bahnverkehr lahmgelegt. Die Demonstranten und Chaoten haben völlig das Augenmaß verloren.» Laut K. lehnten sich diese zuerst gegen die Polizei auf. Im Rahmen der Demonstrationen besetzten sie auch mehrere Polizeiposten, wie internationale Medien berichten.
«Wenig später flogen die ersten Steine, dann setzten sie Laser ein, um die Polizisten zu blenden, und vor einigen Tagen kamen auch Molotowcocktails dazu», so der 50-Jährige. In den sozialen Netzwerken kursieren mehrere Videos, auf denen ein Polizist von einem Sprengsatz getroffen und von den Flammen verbrannt wird. Er wisse, dass der Polizist ins Krankenhaus habe gebracht werden müssen.
«Es wird nur vorübergehend nachlassen»
Nun hätten die Demonstranten die Bevölkerung im Visier. «Die Blockade am Flughafen war wirklich extrem erschreckend. Die Situation ist völlig außer Kontrolle geraten.» Der in Hongkong lebende Schweizer glaubt, dass die Demonstrationen noch weiter anhalten werden. «Ich denke, dass es nur vorübergehend nachlassen wird. Weder Regierung noch die Protestbewegung werden einlenken», so K.
In seinen Augen würden die Demonstranten ein Problem schaffen, was gar nicht da ist: «In Hongkong haben die Leute das Gefühl, dass China einen unterdrücken will. Dabei vergisst man, dass wir zu China gehören.» Daher hält K. es für unwahrscheinlich, dass die im Nahe der Grenze gelegenen Shenzhen stationierten Truppen eine tiefere oder gar bedrohliche Bedeutung hätten.
Polizei soll Schuld an Ausschreitungen haben
Die Bevölkerung würde indes versuchen, ihr geregeltes Leben fortzusetzen. «Man versucht einfach die Demonstranten zu umgehen und wenn eine Demo angekündigt ist, stellen wir uns bereits auf Eskalationen ein.» So sieht es auch Tobias Brandner. Der Theologieprofessor ist als Mitarbeiter der Mission 21 derzeit in Hongkong. «Die Bilder, die gerade um die Welt gehen, zeigen Ausnahmezustände. Sonst bekommt man in der Stadt nicht so viel von den Demonstrationen mit.»
Brandner gibt der Hongkonger Polizei die Schuld für die Eskalationen: «Die Polizisten hier greifen zu außerordentlicher Gewalt.» Der Theologieprofessor kritisiert vor allem den übermäßigen Einsatz von Tränengas und Prügelattacken bei Verhaftungen.
*Name der Redaktion bekannt
(L'essentiel/juu)