Skandal um SteuernDie Steuern, die Tea Party und der gute alte Nixon
Auch in den USA schlägt dem Steueramt wenig Sympathie entgegen. Jetzt kam heraus: Die IRS nahm vor allem konservative Gruppen wie die Tea Party ins Visier. Die Republikaner kochen vor Wut.

Im Januar 2010 entschied das Oberste Bundesgericht der USA im so genannten Citizens United Act, dass bestimmte politische Gruppen Steuerfreiheit beantragen können. Das blieb nicht ohne Wirkung: Bei der Steuerbehörde IRS ging eine Flut derartiger Anträge politischer Organisationen aus dem ganzen Land ein.
So weit, so mäßig interessant. Doch jetzt wurde klar: Die Steuerbehörde prüfte die Anträge einiger Gruppen strenger als andere. Dabei waren es vor allem konservative Gruppen, die «Tea Party» oder «Patriot» im Namen trugen, die mit ihren Anträgen auf Steuerbefreiung ins Visier der Steuerbeamten gerieten.
IRS wollte alle E-Mails sehen
«Wir wollten steuerbefreit werden, und danach kam Forderung nach Forderung. Die IRS wollte Spenderlisten und alle E-Mails sehen, die unsere Beschäftigten je gesendet haben. Wir wussten, da stimmt was nicht. Aber wir sind gesetzestreue Bürger und haben mitgemacht», sagt Scottie Nell Hughes vom «Tea Party News Network».
Der Aufschrei der Republikaner hallt jetzt bis nach Washington – und das umso lauter, weil ein NBC News vorliegender interner Brief der IRS bestätigt, dass die Steuerbehörde gezielt konservative Gruppen ins Visier nahm, die eigentlich neutrale Behörde sich damit also politisch verhielt.
«Unamerikanisch» und «nixonesque»
Der interne IRS-Brief macht klar, dass alles noch viel schlimmer ist: So soll die Steuerbehörde nicht nur gezielt gegen konservative Politgruppierungen vorgegangen sein, sie soll auch mehrmals ihre Suchkriterien abgeändert haben. Die passend gemachten Kriterien sollen bei konservative Gruppen angewendet worden sein, die sich mit Verfassungsfragen und Bürgerrechten befassen – ausgerechnet.
Eine Tea-Party-Gruppierung bezeichnete das Vorgehen der IRS als «unamerikanisch» und «nixonesque» - in Anlehnung an den 1974 abgetretenen US-Präsidenten Richard Nixon. «Tricky Dick» hatte damals seine politischen Gegner mit Steuerforderungen unter Druck gesetzt.
Das Big-Brother-Schreckgespenst
Für die ohnehin regierungskritisch eingestellten, konservativen Amerikaner versinnbildlicht die IRS-Affäre das Schreckgespenst des Big Brother-Staates unter dem «Sozialisten» Barack Obamas. Oder wie es die moderate republikanische Senatorin Susan Collins ausdrückte: «Das trägt zu dem grundsätzlichen Misstrauen bei, das die Amerikaner der Regierung gegenüber empfinden.»
Allerdings relativieren Steuerexperten: Immerhin sei es der Job der Steuerbehörde IRS diejenigen streng zu prüfen, die um eine Steuerbefreiung ersuchen. Steuerexpertin Ellen Aprill räumt aber ein: Die Kriterien für derartige Überprüfungen müssten natürlich möglichst neutral sein.
Für die Republikaner, zu denen die Tea-Party-Gruppen gehören, ist das Ganze längst zum Politikum geworden: So groß ist das Getöse um den Skandal, dass sich der US-Präsident nach anfänglichem Schweigen am Dienstagabend noch während des Besuchs des britischen Premier David Cameron zur Affäre äußern musste. Derart unter Druck gesetzt, trat der 51-Jährige umso entschlossener auf: «Ich werde derlei nicht tolerieren», sagte er. «Wir werden alles daransetzen, um herauszufinden, was genau passiert ist.»
Die IRS-Affäre kommt für den bislang skandalfreien Obama zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn gleichzeitig wurde bekannt, dass Obamas Justizministerium sich in das Geschäft der Nachrichtenagentur AP einmischte: Auf der Suche nach einem Informationsleck im Zusammenhang mit einem geplanten jemenitischen Terrorangriff auf ein Passagierflugzeug wurden Aufzeichnungen von Telefonaten konfisziert. Für die AP und ihre Journalisten eine klare Verletzung der Pressefreiheit.
Das Weiße Haus erklärte, man habe von der Aktion des Justizministeriums keine Kenntnis gehabt. Dennoch, für Barack Obama sind harte Zeiten angebrochen: Seine Steuerbehörde ist den Bürgern ohnehin nicht geheuer, jetzt hat sein Justizministerium auch noch die Sympathien der Journalisten verspielt.
(L'essentiel Online/gux)