Nora Back«Die Arbeitgeber sind selbst schuld – sie wollten den Index verschieben»
LUXEMBURG – Der Gewerkschaftsbund OGBL kam am Dienstag zum Nationalkongress zusammen. OGBL-Präsidentin Nora Back hat sich danach im L'essentiel-Interview zu den Themen des laufenden Jahres positioniert.
- von
- Nicolas Martin

Nora Back
Wie reagieren Sie auf die Auslösung einer Indextranche für Februar?
Für den OGBL ist das Indexsystem eine sehr wichtige Errungenschaft, es ist einer der Pfeiler unseres Sozialmodells, auf dem auch durchaus etwas der soziale Frieden beruht. Letztes Jahr im März haben wir das Tripartite-Abkommen, in dem die Indexierung durch zwölfmonatige Verschiebungen schwer manipuliert wurde, nicht unterzeichnet. Wir sind stolz darauf sagen zu können, dass die Indextranche am 1. Februar dank der Opposition des OGBL gegen die Tripartite vom März 2022 ausgelöst wurde. Sonst hätte es die Tranche nicht gegeben.
Sind die Unternehmen heute eher in der Lage, zwei Indexierungen innerhalb weniger Monate zu bezahlen als im vergangenen Jahr?
Zunächst einmal war die Tranche im April 2023, die mit der Verschiebung zusammenhängt, nicht unser Wille. Es handelt sich um eine Tranche aus dem letzten Jahr, die die Arbeitgeber aufschieben wollten. Es ist ihre Schuld, dass sie sie jetzt zusammen mit der Februar-Tranche zahlen müssen. Sonst hätten wir nur zwei Tranchen auf normale Weise bekommen. Außerdem wollten wir immer den Unternehmen helfen, die Schwierigkeiten haben, den Index zu bezahlen. Aber die Arbeitgeber wollen in dieser Angelegenheit nie transparent sein. In keiner einzigen Tripartite waren sie bereit, ihre Zahlen offenzulegen: Wer sind die Arbeitgeber, die nicht zahlen können. Außerdem weiß man sehr wohl, dass eine sehr große Mehrheit der Unternehmen in Luxemburg ihre Indextranchen bezahlen kann. Der Index ist nicht ihr Hauptproblem. Die Energiepreise sind es, das verstehen wir sehr gut.
Die UEL sagt, dass die Arbeitgeber nicht in der Lage sein werden, zwei bis drei Tranchen über das Jahr verteilt zu zahlen? Was antworten Sie darauf?
Sie wären zweifellos in der Lage, zwei Tranchen über das Jahr verteilt zu zahlen. Das Problem ist, dass dazu noch die steigenden Preise kommen. Genau wie bei den Menschen. Wir haben immer gesagt: Lasst uns versuchen, gezielte Hilfen für Unternehmen und Haushalte zu finden, die Schwierigkeiten haben.
Sie schließen von vornherein jede zukünftige Diskussion über das Prinzip der Indexierung aus?
Das haben wir schon immer gesagt. Der Mechanismus muss so beibehalten werden, wie er ist. Wenn man anfängt, eines der Elemente anzutasten, bedeutet das damit anzufangen, den Index, so wie er heute besteht, zu beerdigen. Die Manipulation des Preisindex darf unserer Meinung nach nicht stattfinden. Die Aufschübe können zu einem Stau von Indextranchen führen, die nicht ausgezahlt werden können, da es vielleicht drei Tranchen im selben Monat gibt. Eine würde dann gestrichen. Das können wir nicht akzeptieren.
Und was ist mit der Obergrenze?
Am liebsten möchten wir nicht ein einziges Mal über einen gedeckelten Index diskutieren müssen. Es sind immer die Arbeitgeber, die damit kommen. Wenn sie soziale Gerechtigkeit wollen, können sie sozial gerechte Löhne zahlen. Außerdem wird bei einer Deckelung des Indexes keine Person mit einem Mindestlohn auch nur einen Cent mehr bekommen. Das bringt weder den niedrigen noch den mittleren Löhnen etwas. Nur die Spitzenverdiener werden um eine Tranche erleichtert, und das landet in den Taschen der Arbeitgeber und des Kapitals. In diesem Fall gibt es keine Gerechtigkeit. Es wären nur Unternehmen mit Arbeitnehmern mit hohen Einkommen betroffen, die in der Krise am wenigsten Hilfe benötigen. Das ist ein wirtschaftlicher Widerspruch. Und Menschen mit höheren Löhnen könnten weniger ausgeben, was kontraproduktiv ist. Es würde auch die Entwicklung des sozialen Mindestlohns bremsen, der immer an den Durchschnittslohn angepasst wird.
Wie reagieren Sie auf die Ankündigung von Finanzministerin Yuriko Backes, im Frühjahr Steuererleichterungen einzuführen?
Es ärgert uns, dass von Steuererleichterungen die Rede ist, obwohl es seit Jahren Steuererhöhungen für natürliche Personen gibt. Die Realität ist, dass wir jedes Jahr Erhöhungen hatten. Das sind keine Erleichterungen, sondern eine Umverteilung dessen, was uns zusteht und was wir zu viel gezahlt haben. Wir haben diese Ausgaben bereits mit den zu viel gezahlten Steuern vorfinanziert, was damit zusammenhängt, dass die Steuertabelle nicht an die Inflation angepasst wurde.
Das bleibt eines Ihrer Steckenpferde…
Man hat uns gesagt, dass es keine Steuerreform geben wird, aber wir müssen dieses Problem lösen. Es ist eine große Ungerechtigkeit. Jedes Mal gibt es Steuererhöhungen für natürliche Personen, während die Unternehmen zwei Senkungen erfahren haben. Mit jeder Indextranche, die ohne Anpassung der Tarife an die Inflation fällt, sinkt unser Netto im Verhältnis zum Brutto des Index. Bei jedem Index gibt es sozusagen eine Steuererhöhung. Heute bedeutet für ein Durchschnittsgehalt von 5000 Euro eine Indexstufe von 2,5 Prozent netto 1,7 Prozent. Das ist bereits ein ziemlich großer Kaufkraftverlust.
Was ist Ihre Position zur Arbeitszeitverkürzung?
Wir sind dafür, aber mit Lohnfortzahlung. Diese Diskussion ist nichts anderes als eine Wahlkampfankündigung bezüglich einer Studie, die zur die Möglichkeit einer Arbeitszeitverkürzung durchgeführt wird. Im Moment sind das ziemlich abstrakte und aus dem Zusammenhang gerissene Diskussionen. Wir wollen etwas Konkretes. Wir haben diametral entgegengesetzte Positionen mit den Arbeitgebern. Die Frage wird nicht in einer Studie gelöst werden. Wir brauchen ein besseres Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben. Es ist unvorstellbar, in Richtung einer Flexibilität zu gehen, wie sie die Arbeitgeber wünschen.