«Freitag der Wut»Die Zahl der Todesopfer und Verletzten steigt
Der «Freitag der Wut» ufert wie erwartet in Gewalt aus: Mindestens 33 Menschen sind bei den Zusammenstößen landesweit getötet worden.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die ägyptische Regierung und die Muslimbruderschaft zu «größter Zurückhaltung» und zur Beendigung der Gewalt im Land aufgerufen. Das erklärte die argentinische UN-Botschafterin Maria Cristina Perceval, die momentan Präsidentin des Gremiums ist, am Donnerstag nach einer Sondersitzung.
Weiter hätten die Mitglieder des Sicherheitsrats zur nationalen Versöhnung aufgerufen. Sie hätten auch ihr Bedauern über den Verlust an Menschenleben und ihr Mitgefühl für die Opfer zum Ausdruck gebracht, erklärte Perceval. Anlass für die Sondersitzung des Sicherheitsrats waren die blutigen Unruhen mit mehr als 630 Toten.
638 Todesopfer
In Kairo hatte das Gesundheitsministerium am Abend die Opferzahlen erneut nach oben korrigieren müssen. Demnach kamen am Mittwoch mindestens 638 Menschen ums Leben und 3994 wurden verletzt. Die blutigsten Unruhen seit Beginn des Arabischen Frühlings waren ausgebrochen, nachdem die Polizei gewaltsam zwei grosse Protestlager von Anhängern des entmachteten Staatschefs Mohammed Mursi geräumt hatte. Die Muslimbruderschaft, die Mursi nahesteht, spricht von mehreren Tausend Toten. Die Zahlen beider Seiten sind kaum unabhängig nachzuprüfen.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan verurteilte die Räumungsaktion der Polizei als «Massaker». Als Zeichen, dass sich die Beziehungen zwischen der Türkei und Ägypten verschlechtern, rief Kairo seinen Botschafter aus der Türkei zurück. Der türkische Botschafter in Ägypten war schon nach der Kritik am Sturz Mursis ins ägyptische Außenministerium einbestellt worden.
Großdemonstrationen am Freitag
Aus Protest gegen den von der Regierung verhängten Ausnahmezustand riefen die Islamisten für Freitag zu Grossdemonstrationen auf. Am Donnerstag hatten Mursi-Anhänger zwei Gebäude der Regionalverwaltung in Giseh nahe der Hauptstadt Kairo in Brand gesetzt. Das ägyptische Innenministerium autorisierte die Polizei, notfalls von Schusswaffen Gebrauch zu machen, um sich und strategisch wichtige Einrichtungen vor Attacken zu schützen. Die vom Militär gestützte Übergangsregierung hatte zudem verkündet, «terroristischen Akten und Sabotage» entgegenzutreten, die von Mursis islamistischer Muslimbruderschaft ausgeübt werden könnten.
Übergangspräsident Adli Mansur hatte am Mittwoch nach der gewaltsamen Räumung der beiden Protestlager von Mursi-Anhängern in Kairo einen einmonatigen Ausnahmezustand verhängt. Zudem gelten nächtliche Ausgangssperren in der Hauptstadt und zehn Provinzen. In einer Erklärung der Regierung hieß es am späten Donnerstagabend, «terroristische Aktionen gegen die Regierung und wichtige Institutionen» durch militante Gruppen bedrohten das Land. Man bedauere, dass Ägypter getötet worden seien und werde an der Wiederherstellung von Recht und Ordnung arbeiten, hieß es.
In der Erklärung wurde auch die Haltung von US-Präsident Barack Obama kritisiert, der angesichts der blutigen Ausschreitungen ein geplantes gemeinsames Manöver der US-Armee mit dem ägyptischen Militär abgesagt hatte. Obamas Haltung basiere nicht auf Fakten, hieß es. Sie könne aber die gewalttätigen und militanten Gruppen ermutigen. Die Entscheidungen der Regierung erfolgten in voller Souveränität und Unabhängigkeit, hiess es in der Erklärung weiter.
(L'essentiel Online)