Gespräche in Genf – Durchbruch beim Atomstreit mit dem Iran

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Gespräche in GenfDurchbruch beim Atomstreit mit dem Iran

Nach Dauerverhandlungen einigen sich der Iran und die internationale Gemeinschaft über das Atomprogramm. Israel hält das Abkommen für wertlos.

Nach jahrelangem Streit gibt es eine erste Einigung der internationalen Gemeinschaft mit dem Iran über dessen Atomprogramm. Dies teilte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am frühen Sonntagmorgen in Genf mit. Auch der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif und der französische Außenminister Laurent Fabius am bestätigten den Durchbruch. US-Außenminister John Kerry twitterte: «Einigung in Genf: der erste Schritt, die Welt sicherer zu machen. Jetzt mehr Arbeit.»

Verzicht auf Plutoniumreaktor

Enthalten sei ein Verzicht des Irans auf den Weiterbau seines Plutoniumreaktors. Zudem werde Teheran den Ausbau seiner Kapazitäten zur Urananreicherung stoppen. Auch sei Teil der Vereinbarung, dass der Iran seine bereits auf 20 Prozent angereicherten Uranbestände neutralisiert und internationale Kontrollen seiner Atomanlagen akzeptiert.

Nach dreitägigen Verhandlungen auf Expertenebene hatten am Samstag die Chefdiplomaten der fünf UN-Vetomächte und Bundesaussenminister Guido Westerwelle wieder selbst in Genf die Gespräche mit dem Iran übernommen. Ziel war ein Übergangsabkommen, mit dem das Atomprogramm Teherans sechs Monate lang eingefroren wird. Im Gegenzug sollten einige der Sanktionen gegen den Iran gelockert werden. Danach soll eine dauerhafte Lösung folgen.

Atomenergie soll friedlich genutzt werden

Vor der Einigung hatte es fast zehn Jahre fruchtlose Bemühungen um ein internationales Abkommen über das iranische Atomprogramm gegeben. Der Westen unterstellt Teheran, Atomwaffen anzustreben. Der Iran hat das stets bestritten, aber auf dem Recht beharrt, Atomenergie friedlich zu nutzen und dafür Uran anzureichern.

Erst nach der Wahl des neuen iranischen Präsidenten Hassan Ruhani im Sommer zeigte sich Bewegung in dem festgefahrenen Streit. Am Rande der UN-Vollversammlung in New York im September wurde die Wiederaufnahme der Gespräche mit der sogenannten Sechser-Gruppe verabredet.

Zudem sprach Obama 15 Minuten lang am Telefon mit Ruhani - was als historisches Ereignis gewertet wurde, nachdem die politischen Führer beider Seiten zuvor mehr als drei Jahrzehnte keinen direkten Kontakt mehr hatten.

Präsident Ruhani: Iran wird Urananreicherung fortsetzen

Die Übergangseinigung zwischen den Weltmächten und dem Iran im jahrelangen Atomstreit erkennt nach Worten von Präsident Hassan Ruhani die «nuklearen Rechte» der islamischen Republik an.
Die Vereinbarung erlaube es seinem Land, die Anreicherung fortzusetzen, erklärte Ruhani am Sonntag in einer TV-Ansprache.

Der Iran werde die Anreicherung des atomaren Brennstoffs ähnlich wie bislang fortsetzen, ergänzte Ruhani. Der Iran wolle keine Atomwaffen, sondern lediglich technologischen Fortschritt, sagte er. Das Land sei daher auch nach dem Abkommen bereit, alle verbliebenen Zweifel auszuräumen, insbesondere über eine Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA).

Der Iran habe einen starken Willen, die Gespräche über eine umfassende Einigung umgehend zu beginnen, sagte Ruhani weiter. Der Erfolg der Gespräche sei den Empfehlungen des geistlichen Oberhaupts Ajatollah Ali Chamenei zu verdanken, erklärte Ruhani.

Chamenei selbst erklärte, die Einigung bilde die Grundlage für weitere Erfolge. Die Gebete der Nation hätten zu dem Erfolg beigetragen.

Netanjahu: «Historischer Fehler»

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verurteilte die Einigung in Genf als «historischen Fehler». «Heute ist die Welt zu einem sehr viel gefährlicheren Ort geworden, weil das gefährlichste Regime der Welt dem Besitz der gefährlichsten Waffe der Welt entscheidend nähergekommen ist», sagte der Regierungschef nach Medienberichten am Sonntag.

Die fünf UNO-Vetomächte sowie Deutschland einigten sich mit der Islamischen Republik nach gut viertägigen Verhandlungen in Genf auf ein Übergangsabkommen, wie die Unterhändler beider Seiten in der Nacht auf Sonntag mitteilten. Im Gegenzug für eine Lockerung von Wirtschaftssanktionen erklärte sich der Iran bereit, Teile seines Atomprogramms auszusetzen und Kontrollen der Vereinten Nationen zuzulassen.

Aus Verhandlungskreisen war verlautet, dass eine diplomatische Formulierung gefunden worden sei, mit der zwar nicht ausdrücklich Iran das Recht auf Uran-Anreicherung zugestanden, aber eine Anerkennung eingeräumt werde, dass alle Staaten ein Recht auf Nutzung der Atomtechnik hätten.

(L'essentiel Online/sda)

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