Anelka nach China – Ein Happy End für das «Enfant terrible»?

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Anelka nach ChinaEin Happy End für das «Enfant terrible»?

Eine der schillerndsten Figuren des internationalen Fußball dreht Europa den Rücken zu. Nicolas Anelka vergoldet sich sein Karriere-Ende in China.

Nicolas Anelka soll in Schanhai 230 000 Euro pro Woche verdienen. (Bild: AFP)

Nicolas Anelka soll in Schanhai 230 000 Euro pro Woche verdienen. (Bild: AFP)

Wer Nicolas Anelka verpflichten will, sollte sich dieses Vorhaben gut durch den Kopf gehen lassen. Mit 18 galt der talentierte Franzose als der kommende Weltstar. Doch überall, wo er auftauchte, sorgte er nicht primär mit seinen Toren, sondern mit seiner selbstherrlichen Art für Aufsehen. Der 32-Jährige ist nicht nur ein außerordentlicher Techniker, sondern auch ein nicht gerade pflegeleichter Egoist.

Real Madrid kehrte er im Kofferraum eines Autos den Rücken, die peinlichste Affäre der französischen Fußball-Geschichte geht auf sein Konto und bei nicht weniger als acht europäischen Spitzenklubs hat er Spuren hinterlassen. Bis 2010 hielt Anelka den Rekord für die höchste Gesamtablösesumme, die je für einen Spieler bezahlt wurde. Seine früheren Klubs Real Madrid, Paris St.-Germain, Manchester City, Fenerbahce Istanbul, Bolton Wanderers und Chelsea zahlten für ihn insgesamt 134,6 Millionen Euro. Mittlerweile hat ihn Zlatan Ibrahimovic abgelöst.

Spektakuläre Flucht im Kofferraum

Seine Karriere lancierte Anelka 1995 im frühen Alter von 16 Jahren bei Paris St.-Germain, wo er in zehn Einsätzen allerdings nur ein Tor erzielen konnte. Dank seines unverkennbaren Torriechers wurde der Stürmer trotzdem bald vom Ausland entdeckt und wagte mit 18 den Sprung in die Premier League zu Arsenal. Bereits dort eckte er mit seiner Art an und wurde von der britischen Presse ins Visier genommen. Es war wohl Arsène Wengers bester Schachzug, als er seinen Landsmann, der die «Gunners» weniger als eine Million Euro gekostet hatte, für 35 Millionen an Real Madrid abgab.

Bei den Königlichen war sein Engagement nach nur einem Jahr und acht Toren in 39 Einsätzen bereits zu Ende. Wegen Trainingsverweigerung wurde Anelka im Jahr 2000 für 45 Tage suspendiert. Um nach dem Vorfall der Journalisten-Meute zu entkommen, flüchtete er im Kofferraum seines Bruders und Managers Didier und tauchte nie wieder auf. Danach kam die Skandalnudel bei Paris St.-Germain, Liverpool, Manchester City, Fenerbahce Istanbul und den Bolton Wanderers unter, ehe seine Odyssee durch Europa ein Ende zu nehmen schien.

Ab 2008 ging er bei Chelsea dreieinhalb Jahre neben Didier Drogba erfolgreich auf Torejagd. Doch es war auch Anelka, der den «Blues» den größten Titel der Vereinsgeschichte vermasselte. Im Champions-League-Final 2008 gegen Manchester United verschoss er den entscheidenden Elfmeter, nachdem er erst in der Verlängerung eingewechselt worden war.

Unrühmlicher Abgang aus der Équipe Tricolore

Sein Debüt in der französichen Nationalmannschaft gab Anelka schon 1998. Aber auch in der Équipe Tricolore dauerte es nur ein paar Jahre, bis er sich mit den Verantwortlichen ein erstes Mal überwarf. 2002 bekam er vom damaligen Trainer Jacques Santini ein Aufgebot, das er ablehnte. Er werde nur «als Lückenbüßer» gebraucht, war seine Begründung. Darauf wurde Anelka vom Verband suspendiert.

Der totale Bruch folgte dann 2010 bei der WM in Südafrika. Anelka beschimpfte Nationaltrainer Raymond Domenech nach der verpatzten Vorrunde derart heftig, dass die französische Nachrichtenagentur AFP den Warnhinweis «Vorsicht, obszöne Wörter!» dem betreffenden Zitat hinzufügte. Auf den genauen Wortlaut soll hier verzichtet werden. Eine Entschuldigung hielt Anelka nicht für nötig und wurde deshalb endgültig mit Schimpf und Schande aus der Équipe Tricolore geworfen.

Von Chelsea ins Reich der Mitte

Bei Chelsea folgte vor zwei Wochen der vorerst letzte Eklat. Coach André Villas-Boas verweigerte dem Stürmer aus bislang nicht bekannten Gründen den Zugang zur Kabine und in die anderen Räumlichkeiten der ersten Mannschaft. Anelka wurde auf die Abschussliste gesetzt. Eto'o-Klub Anschi Machachtschkala buhlte um den Franzosen, auch Milan, sein Stammklub Paris St.-Germain und einige Klubs aus der Major League Soccer wollten ihn verpflichten.

Das Rennen hat Schanghai Shenhua gemacht. Kein Wunder: In China soll der Exentriker angeblich 230 000 Euro pro Woche verdienen. Rund das Dopplete von seinem Gehalt bei Chelsea. Im Reich der Mitte soll ausgerechnet Anelka die kriselnde chinesische Liga in eine goldene Zukunft zu führen. Weitere Superstars sollen ihm folgen und der aufstrebenden Wirtschaftsmacht auch einen Platz auf der Fußball-Landkarte verschaffen. Ob Anelka dazu der richtige Mann ist, ist in Anbetracht seiner schillernden Karriere aber mehr als fraglich.

L'essentiel Online/pre

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