Jean-Marc wer? – Ein Herr Bosman erschüttert Europas Fußballwelt

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Jean-Marc wer?Ein Herr Bosman erschüttert Europas Fußballwelt

Das «Bosman-Urteil» hat Europas Fußball vor 20 Jahren grundlegend verändert. Seither dürfen Profis in der EU ablösefrei den Verein wechseln, wenn ihr Vertrag ausläuft.

Vor der Urteilsverkündung steckten der belgische Fußball-Profi Jean-Marc Bosman (Mitte) und zwei seiner Anwälte die Köpfe zusammen.

Vor der Urteilsverkündung steckten der belgische Fußball-Profi Jean-Marc Bosman (Mitte) und zwei seiner Anwälte die Köpfe zusammen.

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Als Profi ist er nur Mittelmaß, doch mit seinem mutigen Schritt löst Jean-Marc Bosman eine Fußball-Revolution aus. Das nach ihm benannten «Bosman-Urteil» durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) macht vor 20 Jahren zahlreiche Fußballer zu Millionären - nur der Belgier selbst hat nichts davon. Denn als die Revolte perfekt ist, beginnt sein Absturz. Bosman verfällt dem Alkohol, seine sozialen Kontakte reißen ab. Kaum ein Verein zeigt noch Interesse an ihm. «Es war die Hölle», sagt er der Welt am Sonntag einmal über seine Suchtprobleme in den 90er Jahren.

Bosman wird 1964 in Montegnée geboren, einem Vorort von Lüttich, unweit der Grenze zu Deutschland. Noch heute lebt er in der Region. Das Beste, was der Fußballprofi während seiner kurzen Karriere erleben darf, sind zwei UEFA-Cup-Spiele gegen den FC Tirol und Rapid Wien. Bosman ist Mittelfeldspieler, nicht sonderlich begabt und daher auch kaum bekannt. Seine Laufbahn beginnt er beim belgischen Erstligisten Standard Lüttich, berühmt wird der heute 51-Jährige aber erst als Spieler des Stadtrivalen RFC.

Bosman will wechseln

Als 1990 sein Vertrag ausläuft, will der Club ihn zwar verlängern, bietet Bosman aber deutlich weniger Gehalt an. Das lehnt der mehrfache Familienvater ab und will stattdessen zum französischen Zweitligisten USL Dünkirchen wechseln. Der RFC verlangt von den Franzosen dafür eine hohe Ablösesumme von rund 600.000 Euro, die weder Dünkirchen noch ein anderer Club für den Mittelfeldspieler bezahlen möchte. Dann beginnt Bosman zu klagen.

«Jean-Marc war in der Tat der Einzige, der den Mut hatte, es zu tun», sagte der Generalsekretär der internationalen Spielergewerkschaft FIFPro, Theo van Seggelen, dem Internetportal spox.com. «Ich weiß, dass sie damals versucht haben, ihn umzustimmen und ihm eine Menge Geld geboten haben.»

Folgenschwere Entscheidung

Doch Bosman lehnt das ab und trifft damit eine für ihn folgenschwere Entscheidung. Über fünf Jahre dauert der Prozess, den in Fußball-Europa niemand so wirklich ernst nimmt. Bis der EuGH am 15. Dezember 1995 mit seinem Urteil den Profifußball für immer verändert. Bosman hat gewonnen. Und dennoch sehr viel mehr verloren.

«Nach so einem Prozess gegen eine der mächtigsten Organisationen der Welt kann ich dir garantieren, dass dein Leben zu einer Tortur wird», sagt er. Seit dem Gerichtsentscheid dürfen Profifußballer in der Europäischen Union das, was Bosman 1990 nicht durfte: Nach dem Auslaufen ihres Vertrags ablösefrei zu einem anderen Verein wechseln.

Bosman geht leer aus

Nach dem Ende eines Kontrakts gibt es für die Clubs seither keinen entsprechenden Ersatz in Form einer hohen Ablösesumme mehr. Also müssen sie die begehrten Spieler langfristig binden. Das lässt die Gehälter um ein Vielfaches steigen.

Bosman hat nichts davon. Für den RCS Visé macht er in der Saison 1995/1996 noch sieben Spiele und schießt ein Tor. Dann beginnt sein Absturz. Niemand wollte ihn mehr verpflichten. «Du wirst eine Persona non grata», sagt er verbittert. «Sie haben mich bezahlen lassen.»

(L'essentiel/dpa)

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