Alfred RosenbergEin unbelehrbarer Nazi bis zur Hinrichtung
Seit den Nürnberger Prozessen waren die Tagebücher des Nazi-Vordenkers Alfred Rosenberg verschwunden. Nun sind sie aufgetaucht und werden vom Holocaust-Museum aufgearbeitet.

«Der Nationalsozialismus war die edelste Idee, für die ein Deutscher die ihm gegebenen Kräfte einzusetzen vermochte»: Solche Sätze schrieb Alfred Rosenberg noch kurz vor seiner Hinrichtung am 16. Oktober 1946. Wie neun weitere Nazi-Größen wurde er in den Nürnberger Prozessen zum Tode verurteilt und kurz darauf gehängt. Als ideologischer Vordenker formte er mit seinen Ideen die Weltanschauung des Dritten Reiches.
Geboren 1892 in Reval, der heutigen estnischen Hauptstadt Tallinn, stammte Rosenberg aus einer deutschbaltischen Familie. Nach Studienjahren in Riga und Moskau kam er nach dem Ende des Ersten Weltkrieges nach Deutschland – geprägt unter anderem von den russischen Rechtsextremen und deren Theorien von einer Weltverschwörung von Juden und Freimaurern. Die russische Revolution erlebte er hautnah mit und nahm daraus einen lebenslangen Hass auf die Bolschewisten mit; auch hier sah er die Juden wirken.
Lupenreiner Antisemit
In München betätigte er sich als Publizist und trat als eines der ersten Mitglieder in die Nazi-Partei ein. Er schrieb für den «Völkischen Beobachter», das Parteiorgan der NSDAP, und amtete später als Chefredakteur und Herausgeber. Außerdem gründete und leitete er im Auftrag Adolf Hitlers den «Kampfbund für deutsche Kultur». So stieg Alfred Rosenberg schnell zum führenden Ideologen der Bewegung auf.
Trotz seines unter Juden weit verbreiteten Namens war Rosenberg ein lupenreiner Antisemit. Im Wahlkampf von 1930 wurde eine Kampagne gegen ihn gefahren, die auf seine angeblich jüdischen und lettischen Vorfahren zielte und ihn so diskreditieren wollte. Das Gerücht wurde nie ganz aufgeklärt. Trotzdem wurde er in den Reichstag gewählt und agitierte umso heftiger.
Parteiphilosoph und Ostminister
Nach der Machtübernahme 1933 ernannte Hitler Rosenberg zum Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP und zum «Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP». Im Zweiten Weltkrieg leitete er das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete. Umstritten ist, wie groß sein Einfluss zu dieser Zeit noch war – er verkam immer mehr zu einer Randfigur.
Die US-Armee fasste ihn bald nach Ende des Krieges und stellte ihn als Hauptkriegsverbrecher vor Gericht. Als «anerkannter Parteiphilosoph» und als Ostminister wurde er der Verschwörung und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Sein Verteidiger versuchte ihn zu überreden, die Schuld auf Hitler, Göring und Goebbels abzuschieben und sich von der Ideologie zu distanzieren, doch Rosenberg hielt bis in den Tod an seinem Bekenntnis zum Nationalsozialismus fest.
Tagebücher verschwanden nach Prozess
Seine Tagebücher – rund 400 handgeschriebene lose Seiten – waren wichtige Beweismittel im Prozess. Das Dossier war nach dem Krieg in die USA geschmuggelt worden – einer der Ankläger, Robert Kempner, hatte die Seiten mitgehen lassen. Seither galten sie als verschollen.
Doch im April beschlagnahmten Bundesbeamte das Schriftstück und stellten es im Juni der Öffentlichkeit vor. Nun übergab der Zoll alle Seiten dem Holocaust Memorial Museum in Washington D.C. zur wissenschaftlichen Auswertung und öffentlichen Ausstellung, auch digital. Direktorin Sara J. Bloomfield sagte, das Tagebuch werde helfen, die Ideen zu verstehen, die zu der extremistischen Ideologie der Nazis führten.
(L'essentiel Online/lmm)