Kunstprojekt – Ein Wohnhaus steht auf der Kippe

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KunstprojektEin Wohnhaus steht auf der Kippe

Dieses Gebäude funktioniert nach eigenen Gesetzen: Wenn einer aufs Klo geht, muss sich der Mitbewohner auch bewegen.

Im Staat New York steht ein einmaliges Haus: Es dreht, hebt und senkt sich je nach Wind und den Bewegungen seiner Bewohner. Sprich: Wenn jemand auf der einen Seite steht und eine zweite Person auf der anderen, dann ist das Haus ausgeglichen. Bewegt sich die eine Person zur anderen, kippt die Konstruktion.

Eine Schaukel mit Komfort

Brauchbar ist das natürlich nicht: Das Haus ist ein Kunstprojekt. Erschaffen haben die Konstruktion die Architekten Ward Shelley und Alex Schweder. Es steht derzeit in Ghent, New York. «Das Objekt heißt ReActor und ist Teil einer Serie, in der wir die Beziehung zweier Menschen mit Architektur darstellen und vielleicht sogar beeinflussen wollen», sagt Ward Shelley gegenüber Medien. «Ein früheres Modell hieß ‹Stability› und die Bewohner mussten zusammenarbeiten, um das Gleichgewicht zu erhalten. Wenn Person A zur Toilette musste, dann musste Person B in die entgegengesetzte Richtung gehen. Das war spannend.»

Das Haus ist 4,5 Meter hoch, 13 Meter lang und nur 2,4 Meter breit. Darin befindet sich eine Küche, ein Badezimmer mit Dusche und Toilette, Betten, ein Ofen und natürlich Stauraum und diverse Möbel. Das Haus ist also komplett ausgestattet – länger als fünf Tage am Stück wollten aber auch die beiden Künstler nicht darin wohnen. Und das trotz anfänglicher Begeisterung.

«Wie auf einem altersschwachen Schiff bei starkem Seegang»

«Im ReActor zu wohnen ist friedlich und auch ein bisschen magisch» sagt Shelley. «Die Umgebung war wunderschön und durch die Glaswände fühlte es sich ein bisschen so an, als wäre man mitten in der Natur. Wir sassen gemütlich auf unseren Sesseln und lasen Bücher. Es hat sich angefühlt, als würden wir gemächlich einen Fluss hinuntertreiben. Außer bei starken Winden oder wenn Alex sich zu schnell bewegt hat, dann hatte es ein bisschen etwas von einem altersschwachen Schiff bei starkem Seegang.» Ein kleiner Haken hat Shelley aber gefunden: «An den heißesten Tagen hätten wir uns dringend Sonnenstoren gewünscht» sagt er.

Die Architektur-Künstler kommen wieder: Einmal Ende September und ein zweites Mal Anfang Oktober – nur so können sie das Haus während verschiedener Jahreszeiten erleben. Die Installation wird während zweier Jahre aufgebaut bleiben. Was danach kommt, ist unklar. Sind die Architekten hier über eine neue Wohnform gestolpert? Wohl eher nicht.

Ein Kunstprojekt – und vielleicht bald bei Airbnb?

«Für uns war von Anfang an klar, dass der ReActor kein Haus ist, sondern ein Kunstprojekt. Es ist ja auch völlig absurd: Es ist Wohnraum, konzipiert für zwei Menschen – die aber nie zusammen sein können, weil das Haus sonst aus der Balance kommt.» Für die Architekten ist das Haus ein bisschen wie Haute Couture: In der Realität völlig unbrauchbar, aber eine Vision für alles, was sein könnte.

«Ich glaube, niemand möchte permanent in einem wackeligen Haus wohnen. Außer vielleicht Familien mit Teenagern, die möglichst weit von ihren Eltern entfernt sein wollen» sagt Shelley und lacht. «Das Haus würde sich wohl für außergewöhnliche Ferien eigenen. Im Alltag ist es mit dem Gewackel unbrauchbar, aber es ist auf jeden Fall ein großartiges Erlebnis. Vielleicht gehen wir damit ja zu Airbnb.»

Sie suchen eher ein fest verankerte Wohnung?

(L'essentiel)

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