Oscar-KandidatEine Liebeskomödie im sittenstrengsten Land
In «Barakah Meets Barakah» suchen zwei junge Saudis nach Romantik. Und das in einem Land, in dem Romantik faktisch verboten ist.

Junge trifft Mädchen. Junge verliebt sich in Mädchen. Junge verliert Mädchen. Junge gewinnt Mädchen zurück. Dieser einfachen Formel bedient sich jede romantische Komödie. Doch wie sieht das aus, wenn der Liebesfilm in Saudi-Arabien, dem sittenstrengsten Land der Welt spielt? Regisseur, Produzent und Drehbuchautor Mahmoud Sabbagh gibt uns mit seinem Film «Barakah Meets Barakah» einen faszinierenden und unterhaltsamen Einblick in eine fremde Welt.
Der junge Beamte Barakah ist vor allem damit beschäftigt, die Menschen in der Metropole Dschedda an die Einhaltung der Regeln zu erinnern. Und derer gibt es viele. Im öffentlichen Raum herrscht eine strikte Geschlechtertrennung, Frauen dürfen nur in Begleitung von Männern ausgehen, Autofahren ist ihnen nicht erlaubt. Ein Verbotsschild am Strand zeigt auf, was alles nicht geht: Schwimmen, Musizieren, Fußballspielen, Fotografieren. Und noch so einiges mehr.
Dating auf Saudiarabisch
Bei einer seiner Kontrollen trifft er zufällig auf die lebenslustige Bibi, die gerade ein Fotoshooting für ihren Instagram-Account macht. Sie hat Tausende von Followern, ist ein Social-Media-Star, darf aber wegen der Religionspolizei nicht ihr Gesicht auf ihrem Account zeigen. Sie hadert besonders mit den strengen Vorschriften im Land.
Barakah und Bibi finden Gefallen aneinander und wollen sich näher kennen lernen. Doch Dating ist in Saudi-Arabien praktisch nicht möglich. Überall lauert die Religionspolizei. Spricht ein Mann mit einer Frau, mit der er nicht verheiratet oder verwandt ist, kann er verhaftet werden.
Körperkontakt ist streng verboten
Barakahs und Bibis Kommunikation ist vor allem aufs Handy beschränkt, quasi ein Schlupfloch des Systems, und sie versuchen sich immer wieder kurz in Barakahs Auto zu treffen, in der Hoffnung, nicht erwischt zu werden. Ein Kino- oder ein Restaurantbesuch, im Westen eine Selbstverständlichkeit, bleibt für das Paar Wunschdenken. Körperlicher Kontakt zwischen den beiden kommt im Film lediglich in einer Traumsequenz vor, in der Barakah Bibi die Hände küsst. Mehr wäre an der Zensurbehörde wohl nicht vorbeigekommen.
Trotzdem ist es erstaunlich, wie offen Sabbagh mit seinem Streifen das System kritisieren darf. Es ist von «unlogischen Regeln» die Rede, immer wieder zeigen Einspieler Bilder eines früheren, etwas liberaleren Saudi-Arabiens, wo Flugbegleiterinnen kurze Rücke trugen. Und immerzu werden im Film Gesetze gebrochen, etwa wenn Bibi ohne die obligate Verschleierung aus dem Haus geht.
Zweiter Oscar-Beitrag in der Geschichte des Landes
«Barakah Meets Barakah» gibt einen anderen Einblick in ein Land, das wir vor allem aus Horror-Nachrichten über öffentliche Steinigungen kennen. Die Jugend des Landes muss den Spagat zwischen Tradition und Moderne schaffen, und scheitert daran oft. «Unsere Generation kann nicht vom Hamsterrad abspringen», sagt Barakah einmal über das Dilemma vieler junger Saudis. Der Streifen scheint trotzdem den vollen Rückhalt des Königreichs zu genießen. Er wurde als erst zweiter Beitrag in der Geschichte des saudischen Films ins Rennen um den fremdsprachigen Oscar eingereicht.
Ob sich Barakah und Barakah – denn so heißt Bibi eigentlich – am Ende des Films bekommen, bleibt offen. Denn sie soll nach dem Willen der Familie mit ihrem reichen Onkel verheiratet werden. Dort weicht die saudische Rom-Com von der bewährten Hollywood-Formel ab. Und das ist ziemlich erfrischend.
(L'essentiel)