Proteste in Syrien – Elitesoldaten schießen auf Wehrpflichtige

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Proteste in SyrienElitesoldaten schießen auf Wehrpflichtige

In den Rängen des Assad-Regimes in Syrien zeigen sich zunehmend Risse: In der Stadt Daraa soll es zu Zusammenstößen zwischen Militäreinheiten gekommen sein.

Ein Sprecher einer Gruppe von Oppositionspolitikern im Exil, Aussama Monadsched, sagte am Donnerstag, seine Gruppe habe derartige Berichte seit Montag aus Daraa erhalten. Einige Bataillone hätten sich geweigert, auf die Menschen zu schießen, sagte Monadsched unter Berufung auf Augenzeugen: «Bataillone der Fünften Division schützten Menschen und erwiderten das Feuer, als sie von der Vierten Division angegriffen wurden.»

Die Vierte Division untersteht Maher Assad, dem Bruder des Präsidenten Baschar Assad. Die Fünfte Division setzt sich überwiegend aus Wehrpflichtigen zusammen, die den Einwohnern nahestehen. Am Montag ließ Präsident Assad Heereseinheiten in der südsyrischen Stadt einen Großeinsatz starten. Zwei Augenzeugen und ein Aktivist, die von der Nachrichtenagentur AP telefonisch erreicht wurden, bestätigten die Berichte über Kämpfe zwischen syrischen Truppen. Sie hätten mehrere Stunden gedauert.

Aktivisten fordern Wandel zur Demokratie

Die Streitkräfte stehen seit Beginn der Proteste Mitte März fest an der Seite Assads. Dennoch gibt es erste Anzeichen, dass der Rückhalt für Assad bröckelt: Angesichts des gewaltsamen Vorgehens der syrischen Regierung gegen Demonstranten traten mehr als 200 Mitglieder aus der Baath-Partei des Präsidenten aus, wie am Donnerstag bekannt wurde. Sie stammen überwiegend aus der Protest-Hochburg Daraa und Umgebung.

Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden seit Beginn der Proteste Mitte März bereits über 450 Menschen getötet. Während das syrische Regime brutal gegen Regimegegner kämpft, will eine Gruppe von Aktivisten diesem noch eine Chance zur Einsicht geben. Sie legten noch vor den für Freitag geplanten neuen Massenprotesten einen «Vorschlag für einen nationalen Wandel und einen sicheren Weg zur Demokratie» vor.

«Revolution wird das Regime stürzen»

In der Erklärung dazu heißt es, das Regime stehe derzeit vor der Wahl: «Entweder leitet es den sicheren Wandel hin zur Demokratie selbst ein, und wir haben große Hoffnungen, dass dieses Regime tapfer und moralisch genug ist, um diese Option zu wählen. Wenn dies nicht geschieht, dann wird diese Protestwelle zu einer Revolution des Volkes werden. Diese Revolution wird das Regime stürzen, und die Veränderung wird dann nach einer Welle der Gewalt und Instabilität kommen.»

Die Unterzeichner fordern Respekt für die Menschenrechte, Meinungsfreiheit, eine neue Verfassung, eine Reform der korrupten Justizbehörden und effektive Gewaltenteilung. Außerdem verlangen sie ein neues Parteiengesetz, das den Führungsanspruch der Baath-Partei von Präsident Baschar Assad abschafft. Bei den Unterzeichnern handelt es sich um mehr als 150 Aktivisten aus Syrien sowie etwa zwei Dutzend Exil-Syrer.

Muslimbrüder regen sich

Die Muslimbruderschaft stärkte am Freitag der Protestbewegung den Rücken. In ihrer ersten Äußerung seit Beginn der Demonstrationen rief sie die Syrer auf, ihren Widerstand gegen die autokratische Führung fortzusetzen. «Lasst das Regime Eure Mitbürger nicht bedrängen», hieß es in der Erklärung, die der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. «Stimmt ein in den Gesang für Frieden und Würde. Erlaubt nicht, dass der Tyrann Euch unterjocht. Gott ist groß.»

Die Muslimbrüder erklärten weiter, die syrische Führung wolle mit ihrer Anschuldigung, dass Islamisten hinter den Protesten steckten, einen Bürgerkrieg auslösen und die Forderungen der Demonstranten nach mehr Freiheit und einem Ende der Korruption untergraben. Das Innenministerium hatte die Bürger gewarnt, erneut zu demonstrieren. Es erklärte, für diesen Freitag sei keine Demonstration genehmigt worden. «Um die Sicherheit und Stabilität» des Landes zu sichern, werde man «keine Kundgebungen dulden, egal unter welchem Motto».

pbl/L'essentiel Online/sda/dapd

Europäische Sanktionen?

Nach der fehlenden Einigung im UNO-Sicherheitsrat auf eine gemeinsame Erklärung zur Verurteilung der Gewalt in Syrien will sich der deutsche Außenminister Guido Westerwelle für Sanktionen auf europäischer Ebene einsetzen. «Diese Gewalttaten gegen eigene Staatsangehörige durch das syrische Regime sind nicht akzeptabel und werden von uns in aller Schärfe verurteilt», sagte Westerwelle am Freitag im ARD-«Morgenmagazin».

Wenn die Politik des syrischen Präsidenten Baschar Assad fortgesetzt werde, dann müsse die Völkergemeinschaft entsprechend reagieren, sagte er und kündigte an: «Wir Europäer werden dann auch Sanktionen beschließen». Die EU will an diesem Freitag über die Lage in dem Land beraten. Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Portugal hatten am Mittwoch im UNO-Sicherheitsrat einen Entwurf zur Verurteilung der Gewalt in Syrien eingebracht, der aber nach Diplomatenangaben von mehreren Ländern abgelehnt wurde.

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