WestjordanlandEmpfindliche Wahlniederlage für Abbas
Bei den Wahlen im Westjordanland hat die Fatah große Verluste eingefahren. In fünf von elf wichtigen Städten zog die Partei des Präsidenten Abbas den kürzeren.

Die Wahlbeteiligung lag nach Auskunft der Wahlkommission bei vergleichsweise hohen 55 Prozent.
Die Partei von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat bei den Kommunalwahlen im Westjordanland herbe Verluste hinnehmen müssen. Nach ersten inoffiziellen Ergebnissen verloren Vertreter der Fatah in fünf von elf grösseren Städten an Abtrünnige aus der eigenen Partei und unabhängige Kandidaten.
Die Verluste wurden als schwerer Schlag für die Fatah gewertet, die bei den Wahlen in 93 Städten und Gemeinden ihre Position eigentlich wieder ausbauen und damit politische Legitimität zurückgewinnen wollte. Vor allem durch den Wahlboykott der konkurrierenden Palästinenserorganisation Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, hatte die Fatah auf ein gutes Ergebnis gehofft.
Die Kommunalwahlen waren seit über sechs Jahren die erste Gelegenheit für die Wähler zum Urnengang, denn die Parlamentswahlen sind auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Wahlbeteiligung lag nach Auskunft der Wahlkommission bei vergleichsweise hohen 55 Prozent.
Rund 505.000 Wahlberechtigte waren aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. In 179 Kommunen einigten sich die Bewohner untereinander auf eine Machtverteilung und beschlossen, auf die Wahl zu verzichten.
Nach inoffiziellen Angaben von Vertretern der Wahlbehörde vom Sonntag gingen entgegen den Erwartungen die wichtigen Städte Nablus, Ramallah und Dschenin sowie der Ort Tubas an Fatah-Abtrünnige. In Betlehem, das nie eine Fatah-Hochburg war, gewannen linke und unabhängige Kandidaten. In sechs weiteren Städten konnte sich die Fatah hingegen die Mehrheit sichern.
«Fatah hat Kontakt zur normalen Bevölkerung verloren»
Ghassan Schakaa, der eine Gruppe ehemaliger Fatah-Leute in Nablus zum Sieg führte, warf seiner ehemaligen Partei vor, den Kontakt zur normalen palästinensischen Bevölkerung verloren zu haben. «Sie haben wieder ihre alten Fehler gemacht», sagte er in Bezug auf die Fatah-Wahlkampfstrategie. Schakaa war früher Bürgermeister von Nablus und verliess die Fatah vor den Wahlen, weil es zu Unstimmigkeiten über die Zusammensetzung der Kandidatenliste in der Stadt gekommen war. Viele Abtrünnige, die gegen Fatah-Kandidaten angetreten waren, wurden noch vor den Wahlen aus der Partei ausgeschlossen. Es ist nicht klar, ob sie ihren unabhängigen Kurs fortsetzen werden.
Die Partei von Palästinenserpräsident Abbas kämpft mit einer Reihe weiterer Probleme. Neben den ausbleibenden Fortschritten bei den Aussöhnungsgesprächen mit der Hamas liegt auch der Friedensprozess mit Israel auf Eis. Zudem befindet sich die Palästinenserbehörde in schweren finanziellen Nöten. Die Bezahlung von 150.000 Angestellten im öffentlichen Dienst ist immer wieder gefährdet.
Die fehlende Annäherung mit der Hamas macht es unwahrscheinlich, dass auf die Kommunalwahlen bald die längst fälligen Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen folgen könnten. Die Hamas hat auch in dem von ihr kontrollierten Gazastreifen die Wahlen blockiert und will erst wieder eine Abstimmung abhalten, wenn es zu einer Aussöhnung der beiden Palästinenserorganisationen kommt. «Diese Wahlen verstärken die Spaltung», erklärte Mahmud Ramahi, ein Hamas-Führer im Westjordanland.
Die letzten Kommunalwahlen in den palästinensischen Gebieten hatten 2004 und 2005 stattgefunden. Ein Jahr später waren Parlamentswahlen. Fatah und Hamas haben sich nach ihrem Bruch und der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen 2007 bislang nicht auf die Bedingungen für eine Abstimmung über ein neues Parlament einigen können.
(L'essentiel Online)