Unschöne ErkenntnisFatale Kombination zerstört Alaskas Riffe
Was passiert, wenn an einem Ort Tierarten verschwinden und gleichzeitig der Klimawandel zuschlägt, lässt sich in den Gewässern vor Alaska beobachten.

Das Great Barrier Reef mag das bekannteste Riff der Welt sein. Doch auch in kühlen Meeresregionen finden sich imposante Erhebungen im Meer. Beispielsweise vor den Aleuten-Inseln vor Alaska. Die Frage ist nur, wie lange noch.
Denn wie dem australischen Pendant geht es auch den Riffen im Beringmeer schlecht. Grund dafür ist das Zusammentreffen von zwei menschengemachten Problemen: dem Klimawandel und dem Verschwinden der Seeotter in der Region. Das berichten Forscher vom «Bigelow Laboratory for Ocean Sciences» in East Boothbay (US-Bundesstaat Maine) und vom Geomar, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, im Fachjournal Science.
Seeigel attackieren Algen, weil Seeotter fehlen
Bei den Riffen vor Alaska handelt es sich um sogenannte Kalkalgenriffe. Sie entstehen, weil die Rotalge Clathromorphum nereostratum Kalk ausscheidet, aus welchem die Riffstrukturen entstehen. Diese dienen Organismen als Lebensraum und Seetang-Wäldern vor der Küste als Untergrund.
Die Algen werden jedoch von Seeigeln bedroht. Deshalb produzieren sie Skelette aus Kalk, welche die stacheligen Fressfeinde fernhalten sollen. Doch die lassen sich davon nur bedingt abhalten, weil sich die Seeigel durch die Schutzschicht bohren können – ein Prozess, der aufgrund des Klimawandels einfacher geworden ist.
Lange Zeit stellte das aber kein Problem dar, weil Seeotter die Seeigel in Schach hielten. Doch durch das Eingreifen der Menschen hat sich die Zahl der Raubtiere in den 1990er-Jahren so stark reduziert, dass sie diese Funktion im Ökosystem nicht mehr erfüllen können. Die Folgen davon sind heute weithin sichtbar: Die stetig wachsende Seeigel-Population haben bereits weite Teile der Seetang-Wälder gefressen und die Riffe freigelegt. Nun fallen sie über die Kalkalgenriffe selbst her.
Fehlende Otter nur Co-Faktor
Wie die Wissenschaftler um Douglas Rasher schreiben, sind die nur noch kleinen Seeotterbestände nur ein Teil des Problems. Denn schon einmal, als der Seeotter im 18. und 19. Jahrhundert wegen seines Fells fast bis zur Ausrottung gejagt wurde, vermehrten sich die Seeigel vor den Aleuten massiv. Damals konnten sich die Clathromorphum-Riffe aber behaupten. «Inzwischen hat sich die Situation jedoch drastisch verändert. Unsere Studie zeigt, dass der Seeigel-Fraß an den Riffen in den letzten Jahren aufgrund der sich abzeichnenden Auswirkungen des Klimawandels viel gefährlicher ist», wird Rasher in einer Mitteilung zitiert.
Der Grund: «Die Erwärmung und Versauerung der Ozeane erschwert kalkbildenden Organismen die Produktion ihrer Schalen, in diesem Fall des Schutzskeletts», so der Forscher. Das mache die Rotalge «sehr anfällig für die Beweidung durch Seeigel», deren Zahl stark zugenommen habe. Rasher spricht von einer «verheerenden Kombination.»
Die unschöne Erkenntnis der Forscher gibt aber auch Anlass zu Hoffnung, heißt es in einer weiteren Mitteilung: Zwar sind direkte Anstrengungen gegen die fortschreitende Erwärmung und Ozeanversauerung die wichtigsten Maßnahmen, um den Klimawandel und seine Auswirkungen auf globaler Ebene einzudämmen. Regional kann aber auch der Schutz wichtiger Arten – in diesem Fall des Seeotters – zur Stabilisierung eines ganzen Ökosystems beitragen.
(L'essentiel/Fee Anabelle Riebeling)