Kulissengespräche – Fauler Präsident? Böse Vorwürfe gegen Juncker

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KulissengesprächeFauler Präsident? Böse Vorwürfe gegen Juncker

LUXEMBURG/BRÜSSEL - In der EU-Zentrale kursieren Gerüchte über die Arbeitsmoral des mächtigsten Beamten. Juncker verbringe zu wenig Zeit in seinem Büro, heißt es.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker macht auf einige Beobachter in Brüssel einen angeschlagenen Eindruck.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker macht auf einige Beobachter in Brüssel einen angeschlagenen Eindruck.

AFP/Pierre-Philippe Marcou

In Brüssel kursieren derzeit wieder böse Gerüchte über Jean-Claude Juncker. Der Luxemburger betrachte seinen Job als EU-Kommissionspräsident eher als Teilzeit-Aufgabe, ätzen Beobachter hinter den Kulissen. Die Unkenrufe sind auch schon in das Büro des wahrscheinlich mächtigsten EU-Beamten vorgedrungen – und sie machen ihn alles andere als happy.

«Ich gehe zu keinen Cocktail- oder Botschaftsempfängen», stellt Juncker in einem Interview mit dem Europa-Ableger des Magazins Politico klar. «Ich bin den ganzen Tag hier, auch an Feiertagen und sogar am Karfreitag, der eigentlich ein Urlaubstag bei der Kommission ist. Ich arbeite 12, 14, 16 Stunden pro Tag.»

Nur selten im Büro?

Dem Bericht von Politico zufolge tauchten die bösen Gerüchte unter anderem deswegen auf, weil Juncker seit seinem Amtsantritt vor sechs Monaten bisher nicht vollständig vom Großherzogtum nach Brüssel übersiedelt ist. Der frühere Luxemburger Regierungschef erklärte, während Arbeitswochen in einer Art Apartment-Hotel in der belgischen Hauptstadt zu wohnen.

Auch das Wall Street Journal äußerte sich kritisch über die Arbeitszeiten des EU-Kommissionschefs. Seit seinem Amtsantritt habe Juncker nur ein Viertel seiner Zeit in Brüssel verbracht – nur die Kommissare Margrethe Vestager (Dänemark) und Pierre Moscovici (Frankreich) waren noch seltener in ihrem Büro in der belgischen Hauptstadt anzutreffen. Die drei seien Spitzenreiter dabei, ihre Arbeitswochen in Brüssel durch Termine am Montag und Freitag in ihren Heimatländern zu verkürzen.

«Schlimmer als ein Kind zu gebären»

Der Führungsstil Junckers kommt in dem Bericht von Politico ebenfalls zur Sprache. Demnach ist Juncker ein großer Fan des Delegierens an die Mitglieder seiner Kommission. Zudem sei sein Kabinettschef, Martin Selmayr, «ungewöhnlich einflussreich». Im Vergleich zu seinem Vorgänger José Manuel Barroso sei Juncker deutlich weniger reisefreudig und bevorzuge eher Deals hinter den Kulissen als öffentlichkeitswirksame Manöver. Juncker kommentierte die Vorwürfe damit, dass sich die Leute lieber darauf konzentrieren sollten, wie (und nicht wo) er seine Arbeit verrichtet.

Juncker offenbarte dem Magazin gegenüber auch seine gesundheitlichen Beschwerden. Der 60-Jährige leidet bekanntlich unter Nierensteinen. Die Nierensteine bereiten ihm starke Schmerzen: «Es ist schlimmer, als ein Kind zu gebären». Eine seine Sprecherinnen betonte jedoch, dass Juncker sich in «Topform» befinde. Er habe seit November unter anderem 64 Regierungschefs im Berlaymont-Gebäude empfangen und bis jetzt alles geleistet, «was man von einem Präsidenten der Europäischen Kommission erwarten kann».

(jt/L'essentiel)

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