RetrovirenfreiFerkel als Organspender für Menschen?
Forschern ist die Zucht retrovirenfreier Klonferkel gelungen. Organtransplationen von Tieren zu Menschen rücken damit ein gutes Stück näher.

Könnten künftig als Organspender eingesetzt werden: Ein Schweinerennen in Lausanne. (Symbolbild)
Ein Team von Wissenschaftlern an der Harvard-Universität hat mit Hilfe der Gentechnik Schweine gezüchtet, deren Erbsubstanz keine potenziell gefährlichen endogenen Retroviren mehr aufweist. Laut dem veröffentlichten Bericht in der Fachzeitschrift «Science» sind die Forscher damit dem Ziel, eines Tages Tierorgane in Menschen verpflanzen zu können, einen großen Schritt näher gekommen.
Der Leiter des Transplantationszentrums des UniversitätsKrankenhauss Zürich, Nicola Müller, findet die Resultate «extrem beeindruckend», betont aber, dass die Transplantation von Schweineorganen in Menschen trotzdem noch Zukunftsmusik bleibe. Weitere Hürden seien die Abstoßung von Organen sowie die Vereinbarkeit gewisser Systeme, wie zum Beispiel das Gerinnungssystem. «Es werden also noch einige Jahre vergehen, bis solche Organe routinemäßig eingesetzt werden», sagt Müller zum SRF.
Eine Ausnahme seien sogenannte Inselzellen, die Insulin produzieren, wo es jetzt rascher gehen könnte – was speziell für Menschen mit Diabetes interessant wäre. Menschen können bereits mit biologischen Herzklappen von Schweinen oder Rindern leben.
37 PERV-freie Klonferkel
Normalerweise tragen Schweine in ihrer Erbsubstanz gleichsam als blinde Passagiere sogenannte porcine endogene Retroviren (PERVs), die sich auch in menschlichen Zellen vermehren können. Unklar ist, ob sich das Virus auch bei Transplantationen von Schweineorganen auf den Menschen überträgt und welche Auswirkungen dies haben könnte.
Das Team unter Leitung der beiden Genetiker George Church und Luhan Yang von der Universität von Harvard ist es nach eigenen Angaben nun gelungen, die DNA von Schweinezellen so zu modifizieren, dass sie keine PERVs mehr aufweisen. Damit erzeugten sie Embryonen, die frei von den Viren waren und setzten diese in Mutterschweinen ein. Nach Angaben von Yang erzeugte ihr privates Unternehmen eGenesis auf diese Weise 37 PERV-freie Klonferkel.
«Möglicherweise eine noch größere Herausforderung»
Menschen können bereits mit biologischen Herzklappen von Schweinen oder Rindern leben. Die Transplantation ganzer Tierorgane könnte viele Leben retten Sollten die genveränderten Schweine von eGenesis tatsächlich frei von den endogenen Retroviren sein, wäre dies eine «großartige Leistung», meint auch der Virologe Joachim Denner vom Robert Koch Institut in Berlin. Wie Müller betont auch Denner, dass die Wissenschaft auch nach dem Erfolg noch weit von echten Xenotransplanationen (Transplantationen zwischen Spezies) entfernt sei. Auch er erwähnt die Abstoßungsproblematik: Experten müssten Wege finden, Schweinegene so zu verändern, dass das menschliche Immunsystem bei Organverpflanzungen nicht mehr aktiv wird.
Das räumt auch Studienautor Yang ein: Die Abstoßungsproblematik sei «möglicherweise eine noch größere Herausforderung» als endogene Retroviren zu deaktivieren, so der Forscher.
(L'essentiel/mch/sda)