«Klerikaler Unfug»Folterszenen zum bunt Ausmalen
LUXEMBURG – Eine für Schulkinder gedachte Broschüre über die heilige Barbara erhitzt im Süden des Landes die Gemüter.

Eine Broschüre zum «Bäerbelendag», dem vor allem im Süden des Landes gefeierten Fest der Bergleute und Rettungskräfte, sorgt für Unmut. Drei Lehrergewerkschaften und die Allianz der Humanisten, Atheisten und Agnostiker bezeichnen das an den Schulen im Minett verteilte Comic-Heft als «klerikalen Unfug» und fordern den Herausgeber, das Gemeindesyndikat Pro Sud in einem offenen Brief dazu auf, die Publikation zurückzuziehen.
Das 32-seitige Heft beschäftigt sich tatsächlich in der Hauptsache mit der Erzählung der heiligen Barbara von Nikomedien, deren historische Existenz als nicht gesichert gilt und die der kirchlichen Überlieferung zufolge im dritten Jahrhundert auf besonders abscheuliche Weise gefoltert und von ihrem leiblichen Vater enthauptet wurde, weil sie sich gegen dessen Willen zum Christentum bekannte. Die Märtyrerin gilt seitdem als Symbol der Standhaftigkeit im Glauben, was sie zur Schutzpatronin der Bergleute, Hüttenleute, Geologen, Glöckner, Glockengießer, Schmiede, Maurer, Steinmetze, Zimmerleute, Dachdecker, Elektriker, Architekten, Artilleristen, Kampfmittelbeseitiger, Pyrotechniker, Feuerwehrleute, Helfer des Technischen Hilfswerks, Totengräber, Hutmacher, der Mädchen und der Gefangenen geradezu prädestinierte.
Verteilungsstopp in fast allen Gemeidnen
Die Unterzeichner des Protestbriefes vermuten einen «Versuch christlicher Missionierung» und finden es nicht akzeptabel, dass die Publikation sich kaum mit der kulturellen und sozialen Bedeutung des «Bäerbelendags» für die Südgemeinden auseinandersetze. Zudem enthalte das Heft nicht-kindgerechte, gewaltverherrlichende Illustrationen (siehe Bilderstrecke). Tatsächlich werden die Schüler dazu aufgefordert, teilweise recht explizite Folterszenen bunt auszumalen.
Laut dem «Tageblatt», das am vergangenen Samstag bereits über die Affäre berichtete, ist die Verteilung der Broschüre bereits in Esch-sur-Alzette, Kayl, Rümelingen, Monnerich und wahrscheinlich auch in Düdelingen und Sanem gestoppt worden. In Differdingen und Niederkerschen wurden die Broschüren in Umlauf gebracht. In Differdingen weil die direkt an die Schulen ausgelieferten Hefte «zu schnell für ein Einschreiten» verteilt worden seien, so das «Tageblatt». In Niederkerschen seien die Hefte ausgeteilt worden, nachdem CSV-Bürgermeister Michel Wolter den Inhalt des Hefts zur Kenntnis genommen hatte.
Pro Sud hat mittlerweile angekündigt, dass die in 10.000 Exemplaren gedruckte Broschüre wieder abgeholt werde, um anderweitig genutzt zu werden. Das Syndikat verteidigte sich zudem damit, dass die Broschüre Anfang Oktober an alle Bürgermeister und alle Pro-Sud-Komitee-Mitglieder verschickt worden sei, ohne dass es Beschwerden gegeben habe.
(L'essentiel Online/mth/Tageblatt Online)
CSV ist «verwundert», gibt LSAP die Schuld
Der CSV-Bezirk Süden hat am späten Donnerstagnachmittag Stellung zu der Polemik um die «Bäerbelendag»-Broschüre bezogen. Die Christdemokraten aus dem Minette zeigen sich «verwundert», was die Kritik an dem Heft betrifft. Unabhängig von dem Inhalt stellten sich Fragen, was das Funktionieren des Gemeindesyndikats «Pro Sud» angehe, heißt es: «Das Pro-Süd Syndikat ist mehrheitlich von LSAP-Politikern besetzt und mit der Bürgermeisterin von Esch ist eine LSAP-Vertreterin Präsidentin. Dieses Syndikat lässt nun eine Broschüre ausarbeiten, nimmt sie in einer Sitzung an und lässt sie, mitsamt einem Vorwort der Pro-Süd Präsidentin, drucken, damit anschließend LSAP-Bürgermeister (die z.T. selbst oder deren Vertreter dem Syndikat angehören) gegen ihre Verteilung sind».
Die Süd-CSV findet, es bestehe angesichts der eingesetzten Gelder jetzt definitiv Erklärungsbedarf.