Serious GamesGamen ist ungesund? Im Gegenteil!
«Games sind nichts für uns», sagt die Gesundheitsbranche. «Falsch!», meint ein Game-Entwickler. Er zeigt, wie Spiele Krankheiten verhindern und den Geist schärfen.

Beim Thema Gesundheit und Games läuft die Diskussion normalerweise in genau eine Richtung – die falsche: Nichteingeweihte sehen im Gamer in der Regel eine faule Sofakartoffel, die sich im Wohnzimmer hinfläzt, Stunden vor dem Bildschirm verbringt und zockt. «Geh raus, beweg dich!», erklingt der weit verbreite Aufruf. Gamen ist nicht gesund, lautet das Verdikt.
Die Gesundheitsbranche stellt sich taub
Vor allem dieser schlechte Ruf dürfte bisher auch die Gesundheitsbranche davon abgehalten haben, sich ernsthaft mit den positiven Aspekten des Spielens auseinanderzusetzen – nämlich, dass Games auch gesund machen können.
«Bei der Debatte über Games geht es meistens nur um die negativen Aspekte», sagt Matthias Sala, CEO der Schweizer Entwicklerschmiede Millform, die unter dem Label Gbanga bisher vor allem Mixed-Reality-Games veröffentlicht hat. In Gesprächen mit Vertretern der Gesundheitsbranche höre er oft den Satz: «Games sind nichts für uns.» Das habe ihn motiviert, sich auf die Suche nach Games mit positiven gesundheitlichen Wirkungen zu machen. Sala hat nun untersucht, welche Voraussetzungen ein Spiel haben muss, um die Gesundheit zu fördern. Herausgekommen ist das Dokument «Playful Design», mit dem der Spiele-Entwickler aufzeigt, dass Gamen in der Tat gesund machen kann.
In erster Linie gilt dies für die sogenannten Serious Games – Programme, die mit Hilfe von Spielmechaniken Benutzer dazu bringen, sonst langweilige oder mühsame Aufgaben zu erledigen. Aus der Schweiz bekannt ist bereits «Gabarello», eine Kombination aus Lauflernroboter und Spiel. Das Gerät in einem Kinderkrankenhaus in Zürich hilft zum Beispiel nach Unfällen, Gehbewegungen neu im Hirn zu verankern.
Games können Unfälle verhindern
Bereits im Einsatz sind einige Lernspiele: So soll mit dem Spiel «Why five?» bei Krankenpflegerinnen und -pflegern beispielsweise das Bewusstsein fürs Händewaschen gefördert werden. Das angekündigte iPad-Spiel «Playforward: Elm City Stories» soll über HIV-Ansteckungen aufklären und das Game «Pos or Not» demontiert Mythen, welche Bevölkerungsgruppen anfälliger für HIV sein sollen.
Es geht aber auch um die Gesundheit der Mitmenschen: So hat eine Studie der Amerikanischen Geriatrischen Gesellschaft 2010 aufgezeigt, wie mit dem kognitiven Trainingsspiel «Brain Odyssey» bei Senioren die Wahrscheinlichkeit eines Autounfalls verringert werden kann. Augmented-Reality-Games wie «The Skeleton Chase» schicken Spielende auf eine Schnitzeljagd durch eine Stadt und regen so auf spielerische Weise zur Bewegung an. Mit den «Piano Stairs», einer in ein überdimensioniertes Klavier umgewandelten Treppe in Stockholm, wollten die Erfinder wissen, ob die Menschen statt der Rolltreppe eher die Treppe nehmen. Das Resultat: Die Passanten benutzten die Treppe 66 Prozent häufiger.
Wirkung themen-unabhängig
Ein Spiel muss nicht direkt Gesundheitsaspekte thematisieren, um die Gesundheit zu fördern. Neben den Games, die zu physischer Bewegung animieren, kann auch das klassische Spielen gut sein: Anhand des Echtzeit-Strategiespiels «Rise of Nations» wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass sich nach vier bis sechs Wochen Spielen die kognitiven Fähigkeiten von jungen Erwachsenen und Senioren verbessern. Matthias Salas Gamestudio namens Millform selbst werkelt derzeit an einem Spiel zur Alkoholprävention, welches mit Halbwahrheiten aufräumen will.
Spielmechaniken wie Ranglisten, Belohnungssysteme, die Befriedigung der Neugier, das Meistern von Herausforderungen, Wettläufe oder spannende Abenteuergeschichten sind laut Sala unter anderem die Faktoren, die ein Game tauglich für den Gesundheitsbereich machen.
Video zu «Lit2Quit»:
(L'essentiel Online/Jan Graber)