Urteil – Gauck darf NPD-Anhänger «Spinner» nennen

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UrteilGauck darf NPD-Anhänger «Spinner» nennen

Im August 2013 hat der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck Anhänger der rechtsextremen Partei als «Spinner» bezeichnet. Die NPD reichte daraufhin Klage ein – ohne Erfolg.

Das deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat sich gegen Die Klage der NPD entschieden und dem Bundespräsidenten Recht gegeben. (Im Bild: Andreas Voßkuhle, Vorsitzender des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgerichts).

Das deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat sich gegen Die Klage der NPD entschieden und dem Bundespräsidenten Recht gegeben. (Im Bild: Andreas Voßkuhle, Vorsitzender des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgerichts).

DPA

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck durfte Anhänger der rechtsextremen NPD-Partei als «Spinner» bezeichnen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Urteil entschieden. Demnach hat der Bundespräsident eine weitreichende Redefreiheit. Wie er seine Repräsentations- und Integrationsaufgaben erfülle, entscheide er selbst, betonten die Verfassungshüter, die mit ihrem Urteil eine Klage der NPD zurückwiesen.

Den Verfassungshütern zufolge können Gerichte negative Äusserungen eines Bundespräsidenten erst dann beanstanden, «wenn er mit ihnen unter evidenter Vernachlässigung seiner Integrationsaufgabe und damit willkürlich Partei» ergriffen hat. Gauck begrüßte das Urteil. «Der Bundespräsident ist dankbar für die Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts», sagte Staatssekretär David Gill in Karlsruhe nach einem Telefonat mit Gauck. Das Urteil habe Gaucks Auffassung bestätigt, dass er mit seinen Äusserungen die Rechte der NPD nicht verletzt habe. Der Richterspruch habe Bedeutung über den Fall hinaus.

«Den Spinnern ihre Grenzen aufweisen»

Anlass der Klage war eine Äusserung Gaucks im August 2013. Während des damaligen Bundestagswahlkampfs hatte er in Hinblick auf von der NPD organisierte ausländerfeindliche Proteste gegen ein Asylbewerberheim in Berlin vor mehreren hundert Schülern gesagt: «Wir brauchen Bürger, die auf die Straße gehen und den Spinnern ihre Grenzen aufweisen». Er fügte hinzu: «Ich bin stolz, Präsident eines Landes zu sein, in dem die Bürger ihre Demokratie verteidigen». Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands sah dadurch ihr vom Grundgesetz verbrieftes Recht auf Chancengleichheit verletzt und reichte Klage ein.

Wie das Bundesverfassungsgericht nun entschied, verletzte Gauck mit diesen Äusserungen nicht die Rechte der NPD auf Wahrung der Chancengleichheit der Parteien im Wahlkampf. Der Bundespräsident könne den Erwartungen an sein Amt nur gerecht werden, wenn er «auf gesellschaftliche Entwicklungen» eingehen könne und bei der Wahl der «angemessenen Kommunikationsform» frei sei. Er brauche jedenfalls «keine besondere gesetzliche Ermächtigung», um auf Gefahren hinzuweisen oder deren Verursacher zu benennen. Deshalb hätten Gerichte auch nicht zu überprüfen, ob sich der Bundespräsident bei seinen Äusserungen am Leitbild eines «neutralen Bundespräsidenten» orientiert.

Das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit beachten

Allerdings müsse auch der Bundespräsident das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit beachten. Es sei aber ausreichend, seine Äusserungen daraufhin zu überprüfen, ob er mit ihnen «willkürlich Partei ergriffen hat».

Zwar kann laut Gericht die Verwendung des Wortes «Spinner» isoliert betrachtet diffamierend sein. Gauck habe es aber als Sammelbegriff für Menschen benutzt, «die die Geschichte nicht verstanden haben und, unbeeindruckt von den verheerenden Folgen des Nationalsozialismus, rechtsradikale Überzeugungen vertreten».

(L'essentiel / sda)

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