Vor seinem Konzert – Helge Schneider: «Luxemburg ist mysteriös»

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Vor seinem KonzertHelge Schneider: «Luxemburg ist mysteriös»

LUXEMBURG - Der Komiker und Musiker Helge Schneider weilt in der Stadt, um am Freitagabend mit dem nationalen Jazz-Orchester seine neue Show «Buxe voll» zu präsentieren. «L'essentiel Online» hat ihn zum Interview getroffen.

«L’essentiel online»: Sie sind der Meister der Improvisation und da dachte ich, ich improvisiere nun ein Interview mit Ihnen.
Helge Schneider: Ja, bitte.

Aber eigentlich habe ich das Gefühl, dass man sich selbst beim Improvisieren vorbereiten muss.
Nein, braucht man nicht.

Sie quatschen auf der Bühne also einfach drauf los?
Ja, öfter mal. Es gibt Geschichten, die ich auf der Bühne erfunden habe. Die erzähle ich immer wieder, aber ich variiere sie. Ich male mir nicht vorher aus, was ich sagen will. Ich schreibe auch nichts auf.

Haben Sie keine Angst, mitten im Programm einen Hänger zu haben?
Nein. So ist das Leben eben. Meine große Befreiung ist, mir zu sagen, dass das Leben eigentlich auch keine Norm ist.

Es gibt aber doch so viele Normen im Leben.
Es wird von den Normen dominiert, das ist klar. Aber das Leben selbst ist eine große Improvisation. Die Herausforderung ist, diese Improvisation anzunehmen. Es kann immer was passieren. Wir sehen gerade die großen Fluten in Australien. Da muss man improvisieren können und zusammenhalten.

Auch die Zuschauer wissen bei Ihnen nie, was sie erwartet…
Nein, das ist auch gut so. Das ist, als ob du in Urlaub fährst.

Haben Sie Angst, dass die Leute enttäuscht rausgehen? Nach dem Motto: Nun habe ich so viel Geld hingelegt und nun ist der Helge doch nicht so lustig?
Für das Geld, das die Leute bezahlen, bin ich immer noch gut genug. Da gibt es ganz andere Sachen, für die Leute Geld bezahlen müssen.

Was kostet denn Ihre Show?
Das weiß ich gar nicht. Zwischen 25 und 50 Euro oder so. Das ist von Region zu Region unterschiedlich. Keine Ahnung. Ich bin nicht der Typ, der denkt: «Oh, jetzt kostet das 90 Euro, super, jetzt verdiene ich ja mehr.» Das interessiert mich nicht. Ich möchte gerne, dass die Leute nicht enttäuscht sind. Wenn das Ticket zu teuer ist, finde ich das nicht gut. Da können auch Leute sagen: «Helge, das bist du aber wert». Das interessiert mich nicht. Nehmen wir an, das kostet 50 Euro und du spielst in einem Laden, in den 70 000 Leute reinpassen, dann wärst du ja 70 Mal so viel Wert wie in einer kleinen Stadthalle.

Obwohl es Comedians gibt, die Stadien füllen.
Vielleicht würde ich das auch können. Meine gesamte Lebenszeit, die ich mit Arbeit verbracht habe, habe ich nur so gut genießen können, weil ich eben nicht auf das schnelle Geld erpicht war. Ich habe immer gesagt, dass 2 000 Leute schon zu viel sind. Für das, was ich mache, ist ein Stadion nicht geeignet. Die Leute können nichts mehr sehen. Ich möchte den Kontakt.

Im Atelier wird’s bei Ihrem Auftritt sehr kuschelig. Waren Sie schon dort?
Nein. Ich habe einen Anruf aus Luxemburg bekommen und gesagt: «Ja, dann habe ich Zeit». Es ist ja nicht so weit. Und mit einer Bigband zu spielen, die ich noch nicht kenne, finde ich auch gut. Die geben sich Mühe. Mal gucken.

Haben Sie die Band schon vor Ort hier gehört?
Nein, da gehe ich gleich mal hin. Wir müssen noch mal was üben.

Da sind Sie ja ganz entspannt!
Die machen das schon. Es ist positiv, wenn die Leute so etwas machen. Das kann nicht schief gehen.

Die Musiker könnten Ihre Lieder falsch spielen.
Auch nicht schlimm. Dann richte ich mich darauf ein. Doof wäre, wenn ich zu spät merken würde, wenn das eine Werbung wäre für eine Sparkasse oder so.

Wie das?
Bei Preisverleihungen ist das oft so. Dann fährst du hin, stehst auf der Bühne und hinter dir die ganzen Schilder der Sponsoren. Dann hast du schon keine Lust mehr. Und dann kommt auch noch der Mann von der Sparkasse und überreicht dir einen symbolischen Scheck, der überhaupt nichts wert ist. Alle feiern sich selbst. Deshalb mache ich so was auch nicht mehr. Wenn mir jemand einen Preis überreichen will, dann sage ich, ich hätte keine Zeit. Allerdings gibt es Preise, die nett gemeint sind. Wenn die Leute sich Mühe geben und es nicht mit Geldgeschichten verbunden ist, gehe ich gerne hin.

Wenn Ihnen Geld nicht so wichtig ist: Ich habe mir vorhin ein Video im Internet angeschaut, in dem Sie Ihre neue Show ankündigen. Sie sagen darin, dass Sie Ihre Tournee «aus steuerlichen Gründen» in Luxemburg beginnen.
Achso, aus Spaß. Wer bringt denn heute noch sein Geld nach Luxemburg? Gestern, als wir hierher fuhren, dachte ich, ich gehe morgen erst einmal zur Bank und richte ein Konto ein. So ganz klassisch, um hier Schwarzgeld hinzubringen. Aber das ist ja nun 20 Jahre zu spät.

Die Leute denken bei Luxemburg nur ans Steuerparadies. Das ist doch eigentlich schade...
Ich denke da an Frank Elstner und RTL. Wir haben in den späten 60er Jahren Radio Luxemburg gehört. Mit Luxemburg verbinde ich, dass man hier nicht zum Meer kann. Ist auch eher negativ. Ich verbinde komischerweise auch leckeres Essen damit, ich weiß gar nicht warum. Oder es gab mal einen Song: «Verzeihen Sie, mein Herr, sind Sie der Graf von Luxemburg».

Wenn man so improvisiert, muss doch zum Schluss eine Pointe kommen…
Nein.

Aber so zum Ende des Interviews…
Achso, möchste du gerne eine haben. Wir haben uns so vergaloppiert wegen Luxemburg und Steuern. Du hast gesagt, das wäre das Einzige, was mir zu Luxemburg einfällt, aber das stimmt gar nicht. Ich finde Luxemburg ein bisschen mysteriös. Ich war heute das erste Mal in der Stadt. Da habe ich diese unheimliche Schlucht gesehen. Sie macht die Stadt für mich mystisch. Das gilt auch für die Sprache. Sie ist sehr verschroben, wie eine Geheimsprache. Wir sind in diesem unheimlichen Viertel untergebracht, wo der Europäische Gerichtshof ist, der Kirchberg. Diese Utopia, da wird ja immer gebaut. Ich habe gedacht: «Hier kommst du ja nie weg. Da kriegst du Depressionen». Ich habe sofort meine Frau angerufen und gesagt, wir müssten hier nochmal zwei Wochen Flitterwochen machen.

Und dann in den Flitterwochen die Depression schieben?
Ja, es muss doch etwas Positives geben. Die vielen bunten Fahnen sind ganz schön. Dann bin ich in die Stadt gelaufen und dachte: «Das ist gemütlich hier». Ich habe lange draußen gesessen und mir die Leute angeschaut.

Wie beenden wir denn nun das Interview?
Ich würde sagen, das Interview ist jetzt beendet, weil ich nun unbedingt mit den Jungs üben muss. Da kommt er schon. Jäh endete das Interview, weil der Bandleader Gaston Waltzing den widerwilligen Herrn Schneider zur Probe abholte.

(Kerstin Smirr)

Termin

Helge Schneider präsentiert am Freitagabend, ab 19.30 Uhr im Atelier, gemeinsam mit dem nationalen Jazz-Orchester Luxemburgs sein neues Programm «Buxe voll». Ausverkauft.

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