Überlebender von Utoya«Ich habe Angst und flüchte vor dem Prozess»
Per Anders Langerod hat das Massaker vom 22. Juli 2011 auf der norwegischen Insel Utøya überlebt. Erstmals spricht er öffentlich über seine Angst und den Prozess gegen Anders Behring Breivik.

Per Anders Langerod hat das Massaker auf Utøya nur knapp überlebt.
77 Menschen hat Anders Behring Breivik bei seinem Amoklauf in Oslo und auf der Insel Utøya im Juli 2011 getötet. Dann ergab er sich der Polizei. Am Montag beginnt der Prozess gegen den Mann, der von sich behauptet, seine Tat sei ein «Anfang, um Europa von der muslimischen Herrschaft zu befreien». Das Verfahren wird rund zehn Wochen dauern.
Im Prozess wird es auch darum gehen, ob Breivik überhaupt geistig gesund ist und damit verurteilt werden kann. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 39-Jährigen «Terrorakte» und «vorsätzliche Tötung» vor und fordert die in Norwegen maximal zulässige Strafe von 21 Jahren Gefängnis. Daran anschließend könnte eine Verwahrung angeordnet werden.
Opfer immer noch traumatisiert
Die Jugendlichen, welche auf der Insel Utøya in einem Ferienlager waren, leiden offensichtlich noch heute unter dem Attentat. Per Anders Langerod jedenfalls will das Verfahren gegen Breivik nicht verfolgen, wie er in einem Videointerview (siehe oben) erklärt. «Der Prozess wird ein riesiger Zirkus. Ich werde nach Berlin fahren, um mich auf mein Studium konzentrieren zu können», sagt der Mann, der beim Massaker von Utøya Freunde verloren hat.
Langerod versteckte sich mit anderen Teilnehmern des Freizeitlagers der norwegischen Arbeiterpartei vor Breivik am Strand. Dabei habe er sich hinter einen Felsen geduckt und sein Gesicht fest auf die Steine gepresst. Doch um ihn herum seien Menschen gestorben. Er habe sich deshalb ins Wasser geworfen und sei untergetaucht - «so lange, bis meine Lungen schmerzten», sagt er. Danach habe er sich mit anderen bei einer Art Floss draußen vor dem Strand versteckt. Dort sei er schließlich von den Polizeikräften - nur mit Boxershorts bekleidet und ganz blau am Körper wegen des kalten Wassers - gerettet worden.
«Ich muss mich schützen»
Wenn er an Utøya denke, krieche die Angst immer noch in ihm hoch. Allein beim Gedanken, da draußen nochmals eine Nacht zu verbringen, laufe es ihm kalt über den Rücken. Der bevorstehende Prozess und der ganze Medienhype sind ihm ungeheuer. «Ich muss mich davor schützen, auch vor den Aussagen vor Breivik, die ja am Fernsehen übertragen werden», findet Langerod.
Für Breivik findet er eine lebenslange Haftstrafe angemessen. Auch wenn er sich zuerst darüber nicht ganz sicher gewesen sei. Aber schließlich gehe es ja darum, die Gesellschaft vor solchen Terroristen zu schützen. Und, fügt er ganz eigennützig, aber sehr verständlich, hinzu: «Ich habe jedenfalls keine Lust, Breivik in 20 Jahren in der U-Bahn zu treffen.»
( L’essentiel Online / dga/uwb)