Merkel zu Rücktritt – «Ich habe es schweren Herzens getan»

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Merkel zu Rücktritt«Ich habe es schweren Herzens getan»

Deutschlands beliebtester Minister musste dem Druck weichen. Mit seinem Rücktritt hat Guttenberg jetzt Kanzlerin Merkel ein neues Problem beschert.

Zumindest der Zeitpunkt kam für die meisten in Berlin völlig überraschend. Am Dienstag um 11.16 Uhr gab Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vor den Kameras seinen Rücktritt bekannt. Der Polit-Star des Landes muss gehen.

Der Druck auf den 39-Jährigen wegen der Plagiats-Affäre um seine juristische Doktorarbeit war zu groß geworden. In den 15 Monaten seiner Amtszeit hatte er mehrere heftige Kontroversen um Zwischenfälle in den Streitkräften ausgehalten. Diesmal wollte Guttenberg nicht länger kämpfen.

Merkel «durchaus betrübt»

Kanzlerin Angela Merkel hatte die Nachricht von seinem Rücktritt während eines Rundgangs auf der Computermesse Cebit in Hannover ereilt. Merkel zog sich kurzzeitig zurück, um mehrere Telefongespräche zu führen. Später bekannte sie in Berlin, sie sei wie sicherlich viele im Land «durchaus betrübt. Karl-Theodor zu Guttenberg hat mir heute Morgen zunächst telefonisch, später auch schriftlich mitgeteilt, dass er um seine Entlassung bittet. Ich habe sein Gesuch angenommen und ich füge hinzu, ich habe das schweren Herzens getan.»

Guttenberg hatte in der vergangenen Woche keinen Zweifel daran gelassen, dass es «schwerwiegende Fehler» in seiner 2007 mit Bestnote ausgezeichneten Doktorarbeit gibt. Für den Rücktritt machte er am Dienstag jedoch nicht sein früheres Fehlverhalten, sondern einmal mehr vor allem die Medien verantwortlich. Er habe Schaden vom Amt und von den Streitkräften abwenden müssen, weil sich die Aufmerksamkeit nur noch auf ihn und seine Dissertation konzentriert habe, argumentierte er.

Merkel hat Angst vor Fans des Ministers

Für die gravierenden Mängel seiner juristischen Dissertation hatte er sich entschuldigt und als «schmerzhafte» Konsequenz auf den Doktortitel verzichtet. Die Affäre, die vor zwei Wochen bekannt geworden war, war aus seiner Sicht damit eigentlich beendet.

In den Meinungsumfragen war der 39-Jährige trotz der Sympathieverluste noch am Freitag der beliebteste Politiker des Landes, knapp vor der Kanzlerin. Viele in Berlin glauben, auch deshalb habe Merkel bis zuletzt hinter ihm gestanden. Sie habe Sorge, die Fans des Ministers könnten ihr dessen Rücktritt anlasten. Gerade in der wichtigen Wahl am 27. März in Baden-Württemberg könnten viele meinen, sich an den CDU rächen zu müssen.

«Kavaliersdelikt?»

Andererseits sagten aber auch in der CDU immer mehr, dass Guttenbergs damalige Sünden und vor allem das Geständnis auf Raten zunehmend gegen ihn sprächen. Die Christdemokraten könnten nicht ihre Werte wie Aufrichtigkeit und Anstand verraten, nur um einen populären Politiker zu stützen. Das werde bei den anstehenden Landtagswahlen bestraft.

Die Opposition forderte ohnehin beharrlich die Entlassung Guttenbergs. Sie war bestrebt, die Affäre Merkel anzulasten. An den Hochschulen des Landes schlugen die Wogen der Empörung hoch, weil Merkel die Verfehlungen Guttenbergs als «Kavaliersdelikt» einstufe.

Wer wird Nachfolger?

Die Kanzlerin muss nun ganz schnell einen Minister für dieses Schlüsselressort finden. Eine Schonfrist wird diesem nicht gewährt. Der Neue muss rasch eine der größten Reformen der Streitkräfte umsetzen, bei der sich erhebliche Probleme abzeichnen. Für den beschlossenen Übergang zur Berufsarmee ab dem Sommer fehlen beispielsweise noch in großer Zahl die erforderlichen Freiwilligen.

In der Koalitions-Arithmetik steht das Verteidigungsressort den Unions-Parteien zu. Die CDU Merkels hatte es wiederum der CSU überlassen. Guttenberg, der von Februar bis Oktober 2009 Wirtschaftsminister war, hatte es gerne übernommen. Der Freiherr, der es zwar nur bis zum Stabsunteroffizier gebracht hatte, liebte den neuen Job.

«Die Herzen der Menschen erreichen»

Immer wieder ließ er sich zusammen mit Soldaten fotografieren. Oft kam er nach Afghanistan, um die Vorposten an der Front zu besuchen. Merkel bescheinigte ihm am Dienstag noch einmal, dass es ihm gelungen sei, «die Herzen der Menschen zu erreichen».

Guttenberg war «der Sunny-Boy» der deutschen Politik. Politiker in den Unions-Parteien setzen auf ein Comeback, wenn erst einmal Gras über die Plagiats-Affäre gewachsen ist.

L'essentiel Online/dpa

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