Israel startet Offensive im Gazastreifen

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Israel startet Offensive im Gazastreifen

Die Gewalt in Nahost eskaliert. Israelische Kampfjets bombardieren Ziele im Gazastreifen, die Armee rüstet sich für eine Bodenoffensive.

Bei einer massiven israelischen Offensive im Gazastreifen sind mindestens elf Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden. Die Luftschläge gelten als möglicher Auftakt eines neuen Gaza-Kriegs. Nach Angaben des israelischen Militärsprechers Arye Shalicar hat die Armee grünes Licht für die Mobilisierung von bis zu 40 000 Reservesoldaten. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warnte vor einer militärischen Konfrontation, die völlig außer Kontrolle geraten könnte.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wies die Armee am Dienstag an, auch Vorbereitungen für eine mögliche Bodenoffensive im Gazastreifen zu treffen. Im Kampf gegen die Hamas sei es an der Zeit, «die Samthandschuhe auszuziehen», sagte er.

Israel will Raketenbeschuss unter Kontrolle bringen

Israel will mit der Operation «Zuk Eitan» (Fels in der Brandung) den ständigen Raketenbeschuss seiner Ortschaften unterbinden. Der jüdische Staat hält auch eine Ausweitung der Raketenangriffe auf den Großraum Tel Aviv für wahrscheinlich.

Die israelische Armee teilte am Dienstagnachmittag mit, bislang habe die Luftwaffe 150 «Terror-Ziele» im Gazastreifen angegriffen. Nach palästinensischen Angaben wurden auch ranghohe Hamas-Aktivisten getötet, darunter der Marinekommandeur Raschid Jassin. Seit Beginn der israelischen Luftoffensive seien von palästinensischer Seite etwa 130 Raketen auf israelische Ortschaften abgefeuert worden.

In Chan Junis im südlichen Teil des Küstenstreifens kamen nach Angaben von Sanitätern vier Menschen bei einem Angriff auf ein Haus ums Leben. Fünf Mitglieder der radikalen Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad seien bei einem gezielten Angriff auf ein Auto in der Stadt Gaza getötet worden. Ein Hamas-Mitglied sei zudem im Zentrum des Gazastreifens getötet worden.

Mord und Rachemord

Auslöser der jüngsten Runde der Gewalt waren die Entführung und die Ermordung von drei jüdischen Teenagern am 12. Juni sowie der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jugendlichen in der vergangenen Woche. Israel ist seit der Entführung massiv gegen die Infrastruktur der Hamas im Westjordanland vorgegangen und hat Hunderte von Mitgliedern der Organisation festgenommen.

Darunter waren auch Männer, die Israel vor drei Jahren im Tausch gegen den Soldaten Gilad Schalit freigelassen hatte. Hamas fordert als Bedingung für ein Ende der Raketenangriffe ihre sofortige Freilassung sowie eine Aufhebung der Blockade des Küstenstreifens durch Israel und Ägypten.

Obama appelliert an Konfliktparteien

US-Präsident Barack Obama rief Israelis und Palästinenser eindringlich zu einer friedlichen Lösung auf. «Frieden ist möglich», schrieb Obama in einem Gastbeitrag für die israelische Zeitung «Haaretz». Beide Seiten müssten bereit sein, dafür Risiken einzugehen. «Wenn der politische Wille zu ernsthaften Verhandlungen existiert, werden die USA da sein - bereit, unsere Rolle zu übernehmen.»

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte Israel auf, die «Eskalation und die Angriffe auf Gaza unverzüglich zu stoppen», berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa.

Deutsches Kreuzfahrtschiff von Raketenteilen getroffen

Auswirkungen des Konflikts bekamen auch 2700 Passagiere und Besatzungsmitglieder des deutschen Kreuzfahrtschiffes «Aida Diva» zu spüren. Beim Auslaufen aus dem israelischen Hafen von Aschdod etwa 30 Kilometer nördlich des Gazastreifens fielen am Montagabend Raketen-Trümmerteile auf das Deck.

«Die Teile waren meist kaum größer als Centstücke und passten zusammengefegt auf eine Müllschippe», sagte Hansjörg Kunze, Sprecher des Rostocker Kreuzfahrt-Unternehmens Aida Cruises, der Nachrichtenagentur dpa. Allerdings habe der Vorfall einiges Aufsehen an Bord erregt.

Nach Angaben aus palästinensischen Sicherheitskreisen zerstörten israelische Kampfflugzeuge im Süden des Gazastreifens drei Häuser von Hamas-Mitgliedern. Die dort lebenden Familien hätten zuvor einen Warnanruf der israelischen Armee erhalten. Der bewaffnete Arm der Hamas warnte umgehend vor weiteren solchen Attacken. Angriffe auf Wohnhäuser seien eine rote Linie, schrieben die Al-Kassam-Brigaden in einer per E-Mail verbreiteten Mitteilung. Sollte dies nicht gestoppt werden, «werden wir darauf mit einer überraschenden Ausweitung unserer Attacken reagieren».

Hamas schießt mit Raketen auf Israel

Die Hamas hatte am Montagabend Dutzende Raketen auf Israel abgefeuert. Die israelischen Streitkräfte teilten mit, es seien Ortschaften im Umkreis von 40 Kilometern vom Gazastreifen angegriffen worden. Zahlreiche Raketen seien vom Abwehrsystem «Iron Dome» abgefangen worden.

Auch am Dienstag dauerten die Raketenangriffe auf Israel an. In einem Umkreis von 40 Kilometern Entfernung wurden die Menschen angewiesen, sich in der Nähe von Schutzräumen aufzuhalten. Insgesamt verfügt Hamas nach israelischen Angaben über etwa 10 000 Raketen mit Reichweiten bis etwas nördlich von Tel Aviv.

Jaalon stimmt Militär auf langen Einsatz ein

Der israelische Verteidigungsminister Mosche Jaalon stimmte das Militär auf einen längeren Einsatz ein. «Wir bereiten uns auf eine Operation gegen die Hamas vor, die nicht innerhalb von Tagen enden wird», sagte Jaalon Medienberichten zufolge nach einem Treffen mit Armeekommandeuren. Die Hamas wolle Israel möglichst großen Schaden zufügen. Um das zu unterbinden, müsse Israel «geduldig sein».

(L'essentiel/dpa)

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