Harley-Davidson Live WireJetzt surrt Harley elektrisch
Trotz Verzögerungen bei der Einführung und einem Produktionsengpass wegen der Corona-Krise rollt die Harley-Davidson Live Wire nun fast lautlos auf den Straßen.

Nun rollt Harley-Davidson auch lautlos. Wer mit der neuen Live Wire unterwegs ist, merkt sehr schnell: Das E-Bike erregt auch ohne den typischen Harley-Sound sehr viel Aufsehen. Wo immer der Muscle-Roadster auftritt, versammeln sich Interessierte um dieses kraftstrotzende Vehikel. Obwohl mit technischen Finessen und Details versehen, die den übrigen Baukasten-Bikes aus Milwaukee komplett abgehen, lässt sich ihre Herkunft mehr als erahnen – die Live Wire ist eindeutig eine Harley, wenngleich eine vollkommen neue Spezies. Hier sind fünf Gründe, die für das Elektro-Biest aus Milwaukee sprechen:
1. Die Power
Statt des typischen mächtigen V2-Motors dominiert ein gewaltiger Akku im Heizkörperformat die Optik. Darunter liegt längs der Elektromotor wie ein abschussbereiter Torpedo. Mit dem Funkschlüssel in der Jackentasche wird der Antrieb über eine Taste scharfgeschaltet, bevor die elektrische Herrlichkeit über einen weiteren Tastendruck freigegeben wird – diese Prozedur verhindert ungewolltes Gasgeben. Das, was kommt, ähnelt dem Ritt auf der Kanonenkugel: Extrem mächtig und konstant schieben 116 Newtonmeter Drehmoment und 78 kW die 249 Kilogramm wiegende Harley voran.
2. Die Performance
Das Fehlen von Schaltvorgängen macht vor allem Zwischensprints zur lässigen Fingerübung. Zahlen gefällig? Ein Fachmagazin ermittelte für den Durchzug von 50 auf 120 Stundenkilometer konkurrenzlose 4,1 Sekunden. Selbst im vorsichtigen Regen-Modus absolviert die Live Wire diese Übung in 5,2 Sekunden. Zum Vergleich: Eine 165 PS starke BMW S 1000 R benötigt dafür 5,9 Sekunden.
3. Das Feeling
Das Ambiente ist so bequem, dass auch längere Touren genussvoll möglich sind – ohne sich zurückzuhalten, ermöglicht die 15,5-kWh-Lithium-Ionen-Batterie im normalen Fahrbetrieb sicher die versprochenen 158 Kilometer. Immerhin. Die Rekuperation, also die Energierückgewinnung durch den vom Schub angetriebenen E-Motor, wirkt wie eine Motorbremse, wahlweise wie ein Zweitaktmotor fast ohne Gegenkraft im Segelbetrieb oder besonders stark, was wiederum die Bremsen schont. Beides hat seinen Reiz und fördert den Flow, sofern man sich darauf eingelassen hat. Hochwertige Federelemente bieten einen sportlichen Fahrkomfort. Geräuschlos ist das Elektro-Vergnügen nicht: Der Antrieb surrt so laut, dass viele Verkehrsteilnehmer den Kopf zum ungewohnten Geräusch drehen.
4. Der Look
Den Kopf drehen die Leute auch wegen des Looks der Live Wire: Die elektrische Harley sorgt schon im Stand für viel Aufsehen. Bullig und böse sieht das Bike aus, gleichzeitig clean und modern. Nach der tadellosen Verarbeitung würde sich jede «normale» Harley die Kolben lecken. Damit der Fahrer nicht wie ein Fähnchen im Wind flattert, sind der Sattel tief und der Fahrer relativ hoch angebracht. Der Oberkörper spannt sich etwas über die lange Tankattrappe, unter der sich die Batterie befindet. Das bringt Gewicht aufs Vorderrad und verhindert ungewollte «Wheelies».
5. Das Statement
Eine elektrische Harley – damit setzt man ein klares Statement. Lautes Bollern war gestern, heute ist futuristisches Surren angesagt. Das hat leider auch seinen Preis: 38.800 Euro will Harley-Davidson für die Live Wire haben – diese Ansage schränkt den Kundenkreis radikal ein. Schade, denn die Kultmarke ist auf Zahlen angewiesen: Während der Zweiradmarkt in der Schweiz in den ersten vier Monaten um knapp 22 Prozent nachgegeben hat, mussten die Amerikaner ein Minus von 34,18 Prozent verbuchen.
(L'essentiel/lab)