Brexit-DebatteJohnson vergleicht die EU mit Hitler
Londons ehemaliger Bürgermeister schwingt in der Brexit-Debatte die Nazikeule. Was seine politischen Gegner dazu sagen.

Boris Johnson hat die Ziele der Europäischen Union mit denen von Adolf Hitler verglichen. Die EU schaffe einen Superstaat, der den Versuch des Nazi-Führers spiegele, den europäischen Kontinent zu beherrschen, sagte der ehemalige Bürgermeister Londons und Befürworter eines britischen EU-Austritts der Zeitung «The Sunday Telegraph». Die vergangenen 2000 Jahre in der europäischen Geschichte seien von zum Scheitern verurteilten Versuchen dominiert gewesen, den Kontinent zu vereinen.
«Napoleon, Hitler, verschiedene Menschen haben das ausprobiert und es endete tragisch», wird Johnson von der Zeitung zitiert. Die EU sei ein Versuch, dies mit anderen Methoden zu schaffen. Das für alle Ewigkeit geltende Problem sei, dass es keine zugrundeliegende Idee von einem Europa gebe. «Es gibt keine einzige Behörde, die jemand respektiert oder versteht. Das verursacht die massive demokratische Leere.» Am 23. Juni findet das EU-Referendum über einen «Brexit» statt.
Empörung bei den Brexit-Gegnern
Johnsons Ausführungen lösten bei den Befürwortern eines Verbleibs des Königreichs in der EU Empörung aus. Sie bezeichneten dessen Bemerkungen als hoffnungsloses Bemühen, den Fokus von den wirtschaftlichen Folgen eines solchen Bruchs wegzubekommen. Hilary Benn, hochrangiges Mitglied der Labour-Partei, sagte, die «Brexit»-Befürworter hätten das wirtschaftliche Argument verloren. «Nach dem Horror des Zweiten Weltkriegs half die EU, Jahrhunderte der Konflikte in Europa zu beenden.» Johnsons Vergleich wirke verzweifelt.
Zuletzt hatten verschiedene Institutionen vor den wirtschaftlichen Folgen eines EU-Austritts gewarnt. Die Bank von England prognostizierte wegen der Unsicherheit über einen «Brexit» eine Rezession.
Den Nerv der Briten getroffen
Mit dem Souveränitätsthema wechselte Johnson nun den Kurs – und trifft den Nerv vieler Briten, die finden, dass die Brüsseler EU-Bürokraten zu viel Kontrolle über ihr alltägliches Leben gewonnen hätten. Mit dem Erwähnen des Zweiten Weltkriegs erinnerte Johnson an die Sternstunde des Landes – dem Moment, in dem die Nation als Bollwerk handelte, um die Nazi-Tyrannei zu stoppen.
Johnsons Taktik unterstreicht seine Fähigkeit, sich populären Stimmungen anzuschließen. Wahrscheinlich dienen seine Äußerungen auch dazu, die patriotischen Ansichten von jenen anzusprechen, die noch unentschlossen sind.
Der Vergleich mit Reagan
Durch seine bescheidene und witzige Art hat Johnson häufig die öffentliche Vorstellungswelt beeinflusst. Auch deswegen gilt er als führender Anwärter auf die Nachfolge des konservativen Premiers David Cameron, dem Anführer der Kampagne für einen EU-Verbleib des Königreichs.
Der Chef der nationalistischen Ukip-Partei, Nigel Farage, verglich Johnson mit dem ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan. Er wies Vorwürfe zurück, Johnson sei nicht ernst genug für den Job des Premiers. Johnson überrasche Menschen, sagte Farage, der ebenfalls für einen «Brexit» wirbt, der «Mail on Sunday». «Sie sagen, er kann das nicht machen, er ist ein Witzbold – es ist wie bei Ronnie Reagan. Könnte er es machen? Ja.»
(L'essentiel/fal/sda)