EU-GipfelJuncker: «Das ist doch kein Boxkampf»
Der Durchbruch im Streit um den Aufbau der europäischen Bankenaufsicht bleibt fragil. Premier Juncker mahnt zur Sachlichkeit.

Bereits auf dem Sprung: Präsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Gruppenbild des EU-Gipfels.
Die EU-Staaten haben sich erstmals einen Zeitplan für den Aufbau der umstrittenen europäischen Bankenaufsicht gesetzt. Bis Jahresende soll der rechtliche Rahmen stehen. Wann die Kontrolleure 2013 tatsächlich ihre Arbeit aufnehmen, ist unklar: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) konnte sich beim EU-Gipfel in Brüssel mit ihrer Forderung nach mehr Zeit durchsetzen. Vorangegangen waren zehnstündige kontroverse Beratungen bis zum frühen Freitagmorgen. Schließlich legten Deutschland und Frankreich ihre schweren Meinungsverschiedenheiten bei. Weitere Beschlüsse sollen beim Gipfel im Dezember fallen.
Bei der Bankenaufsicht steht jetzt erstmals ein Datum - der 1. Januar 2013 - fest. Dieses wird in der Erklärung genannt. Zu diesem Zeitpunkt sollen die Grundlagen stehen. Allerdings bleibt der Fahrplan vage. So ist offen, ab wann marode Banken tatsächlich direkte Hilfe aus dem Euro-Rettungsfonds ESM erhalten können - dafür ist die Bankenaufsicht die Voraussetzung. Die Europäische Zentralbank solle «so schnell wie möglich» die Aufsicht einrichten, sagte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy.
Kritik an Merkel von der Opposition
In Deutschland übte die Opposition Kritik an Merkels Strategie. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisierte, die Kanzlerin feiere es «als Erfolg, den Start einer europäischen Bankenaufsicht weit in das nächste Jahr verzögert zu haben. Auf Druck der Bundeskanzlerin bleibt der europäische Finanzmarkt schwach reguliert und schwach beaufsichtigt».
Die neue Aufsicht soll am Ende alle Geldhäuser in den 17 Euro-Ländern kontrollieren. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagte zum Zeithorizont: «Und wenn man dran denkt, 6000 Banken zu prüfen, da würde niemand glauben, dass es im Februar fertig ist.» Da in der Abschlusserklärung des Gipfels kein Termin explizit genannt wird, lässt dies Spielraum für Interpretationen.
Hollande: «Gute Einigung»
Kanzlerin Merkel zeigte sich mit dem Beschluss zufrieden. Die Bankenaufsicht der Euro-Zone werde zum 1. Januar 2013 nicht die Arbeit aufnehmen können, betonte die Kanzlerin in der Nacht. «Das Ziel ist eine Bankenaufsicht, die diesen Namen auch verdient.» Auch Frankreichs Staatspräsident François Holland sprach von einer «guten Einigung». Der Kurs des Euro hielt sich am Freitag nach der Einigung des EU-Gipfels stabil unter der Marke von 1,31 Dollar.
Um den Zeitplan hatte es heftigen Streit zwischen Deutschland und Frankreich sowie deren jeweiligen Verbündeten aus dem Norden und dem Süden der Europäischen Union gegeben. Während die «Südländer» wie Spanien auf das Startdatum 1. Januar 2013 drängten, pochte Deutschland auf genügend Zeit zur Umsetzung und für Nachbesserungen. So will Berlin die heimischen Sparkassen nicht vom europäischen Aufseher kontrollieren lassen. Diese Frage ist nicht eindeutig geklärt. Gipfelchef Van Rompuy sagte dazu, die Aufsicht solle «in jede Bank der Eurozone schauen können».
Unterstützung für Griechenland ungebrochen
Die Euroländer sicherten dem pleitebedrohten Griechenland Unterstützung zu - aber nur unter Bedingungen. In einer gemeinsamen Erklärung schrieben die Staatenlenker: «Wir erwarten, dass Griechenland seine haushalts- und strukturpolitischen Reformen fortsetzt.» Dies werde die Zukunft Griechenlands im Euro-Raum sichern. Juncker sagte: «Es ist nun endgültig klargestellt, dass niemand daran denkt und auch niemand gefordert hat, Griechenland aus der Währungsunion auszuschließen.»
Am Morgen des zweiten Tages traf Kanzlerin Merkel Griechenlands Regierungschef Antonis Samaras zu einem Vier-Augen-Gespräch. Nach Angaben deutscher Diplomaten standen dabei die Konsolidierungsbemühungen der Regierung in Athen im Vordergrund. Einzelheiten wurden nicht genannt.
Anschließend standen beim Gipfel außenpolitische Themen auf der Tagesordnung. Die Staatenlenker werden sich voraussichtlich besorgt über das Blutvergießen in Syrien äußern. Zudem wollen sie den Iran zur Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA auffordern und über den Konflikt im westafrikanischen Mali sprechen.
(L'essentiel Online/sda)
Juncker findet Streit absurd
Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker findet die Frage, ob sich Deutschland oder Frankreich im Streit um die gemeinsame Bankenaufsicht durchgesetzt haben, absurd. «Das ist keine lächerliche, aber eine typische Frage», sagte er am Freitag in Brüssel am Rande des EU-Gipfels. «Ich habe mir heute Morgen die deutschen Fernsehnachrichten angeschaut, die französischen, die britischen und einige andere. Alle haben wieder gewonnen. Wir machen uns nur noch lächerlich.»
«Die Presseberichterstattung ist grotesk», sagte Juncker, der auch Chef der Eurogruppe ist. «Hier findet doch kein Boxkampf statt zwischen Deutschland und Frankreich. Das war eine seriöse Diskussion von 27 Mitgliedstaaten.» Es habe bei der bis 3.00 Uhr morgens dauernden Sitzung 120 Wortmeldungen gegeben - «und nicht nur von Frankreich und Deutschland». Wichtig sei, dass die Bankenunion nun möglich sei. «Es bleibt dabei dass Details festgelegt werden müssen, bevor es eine direkte Bankenrekapitalisierung geben kann.»