Referendum in Griechenland – Juncker warnt vor Staatsbankrott

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Referendum in GriechenlandJuncker warnt vor Staatsbankrott

Eurogruppen-Chef Juncker hält eine Staatspleite Griechenlands für möglich, sollte das Volk sich bei einer Abstimmung gegen die Euro-Rettungpläne aussprechen.

Beim EU-Gipfel umarten sich Juncker und Papandreou noch. Den Referendums-Vorstoß des griechischen Premiers kam für Juncker jedoch überraschend.

Beim EU-Gipfel umarten sich Juncker und Papandreou noch. Den Referendums-Vorstoß des griechischen Premiers kam für Juncker jedoch überraschend.

AFP

Die Griechenland-Krise ist mit voller Wucht wieder ausgebrochen - nur wenige Tage nach dem vermeintlich entscheidenden Euro-Gipfel in Brüssel. Dessen Beschlüsse zu den Milliarden-Hilfen für Athen stehen wieder auf der Kippe, weil die dortige Regierung dem Abgrund entgegentaumelt. Innenpolitisch zunehmend isoliert, will Ministerpräsident Giorgos Papandreou seinen Sparkurs und die Hilfszusagen dem Volk zur Abstimmung vorlegen. Als Reaktion schmolz die knappe Regierungsmehrheit der Sozialisten weiter zusammen. Beobachter hielten einen Rücktritt der Regierung für möglich. Zugleich werden die Forderungen nach einer «Regierung der nationalen Rettung» lauter.

Im übrigen Euroland sorgte die völlig unerwartete Entwicklung für Alarmstimmung - die EU-Partner hat der Vorstoß offensichtlich kalt erwischt.
Der Chef der Eurogruppe, Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, fürchtet nach der Ankündigung der griechischen Volksabstimmung über die Euro-Rettung noch größere Nervosität und Unsicherheit an den Finanzmärkten.

Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou habe seine Entscheidung für das Referendum nicht mit den Regierungschefs der anderen 16 Euro-Länder abgesprochen, mit denen er am vergangenen Donnerstag in Brüssel zusammengetroffen war, sagte Juncker dem luxemburgischen Fernsehen RTL. Sollten die Griechen den vereinbarten Rettungsplan ablehnen, so sei ein griechischer Staatsbankrott möglich.

Krisengipfel in Cannes

Die deutsche Bundesregierung kündigte für diesen Mittwoch einen Krisengipfel vor dem G20-Treffen in Cannes an. Daran wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sowie die Spitzen von EU, EZB und IWF und Vertreter Griechenlands teilnehmen. Bei den Treffen sollen den Angaben zufolge «alle erforderlichen Maßnahmen zur umgehenden Umsetzung» der Beschlüsse des Euro-Gipfels von vergangener Woche getroffen werden.

Turbulenzen an den Börsen

An den Finanzmärkten löste die völlig unerwartete Entwicklung Schockwellen aus: Der deutsche Leitindex Dax stürzte in der Spitze am frühen Nachmittag mehr als sechs Prozent ab - auf rund 5762 Punkte. Damit steuert der deutsche Aktienmarkt zwischenzeitlich auf den heftigsten Tagesverlust seit November 2008 zu. Auch der Euro stürzte ab, auf zeitweise fast 1,36 Dollar.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärten in Brüssel, sie hätten am Dienstag mit Papandreou telefoniert. Auch stünden sie im Kontakt mit anderen Mitgliedern der Eurozone. Weiter heißt es in der Erklärung: «Wir vertrauen darauf, dass Griechenland seinen Verpflichtungen gegenüber der Eurozone und der internationalen Gemeinschaft nachkommen wird.»

Der finnische Regierungschef Jyrki Katainen sagte in Kopenhagen, die Entscheidung sei negativ für die Stabilität Europas. Ähnlich äußerte sich die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt: «Das trägt nicht dazu bei, die Situation angesichts der Schuldenkrise zu beruhigen.» Der schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt kritisierte: «Das Referendum macht die Unsicherheiten größer, denn es ist nicht klar, wann es stattfinden soll und welches die Alternativen sind.»

Große Koalition gefordert

Im Parlament in Athen verfügt der Sozialist Papandreou rechnerisch nur noch über eine Mehrheit von zwei Sitzen im Abgeordnetenhaus. Die Sozialisten haben noch 152 von 300 Sitzen. Abgeordnete riefen den Staatspräsidenten auf, die Spitzen der politischen Parteien zur Bildung einer parteiübergreifenden Regierung zu bewegen. Auch sechs Mitglieder des höchsten Organs der Sozialistischen Partei forderten die Bildung einer «Regierung der nationalen Rettung». Diese sollte nicht mehr von Papandreou geführt werden. Auch alle Oppositionsparteien fordern die Bildung einer großen Koalition. Der bürgerliche Oppositionschef Antonis Samaras erklärte, seine Partei werde die «abenteuerlichen Experimente» Papandreous stoppen - «koste es, was es wolle».

L'essentiel Online/dpa

Regierung unterstützt Referendum

In einer siebenstündigen Krisensitzung sprach das griechische Kabinett Papandreou seine Unterstützung für das Referendum aus, wie Regierungssprecher Ilias Mossialos am frühen Mittwochmorgen in Athen sagte. Die Volksabstimmung werde so bald wie möglich stattfinden. Aus Regierungskreisen verlautete jedoch, zwei Minister hätten noch starke Vorbehalte gegen die Befragung.

Papandreou sagte vor den Ministern, das Referendum sei die einzige Möglichkeit, um das europäische Rettungspaket abzusichern. «Wir werden kein Programm zwangsweise umsetzen, sondern nur mit dem Einverständnis der griechischen Bevölkerung», sagte er laut von seinem Büro veröffentlichtem Redetext. «Das ist unsere demokratische Tradition, und wir verlangen, dass sie auch im Ausland respektiert wird. Und ich glaube, dass sie respektiert werden wird.» (dapd)

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