Wirtschaft: Junge Berufseinsteiger setzen Luxemburger Firmen unter Zugzwang

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WirtschaftJunge Berufseinsteiger setzen Luxemburger Firmen unter Zugzwang

LUXEMBURG – Die Ansprüche von Berufseinsteigern haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Drei Luxemburger Personaler erklären, welche Herausforderungen ihre Unternehmen zu meistern versuchen.

von
Thomas Holzer
Das Verhältnis zur Arbeit hat sich bei den Generationen verändert.

Das Verhältnis zur Arbeit hat sich bei den Generationen verändert.

«Hauptsache einen Job, im Idealfall gut bezahlt und mit Karrieremöglichkeiten» – so die Wunschvorstellungen von Berufseinsteigern in Luxemburg. Im Jahr 2013. Zehn Jahre später ist von diesen Mindestansprüchen nicht mehr viel übrig, die junge Generation von Hochschulabsolventen strebt einen anderen Lebensstil an. Die vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erleben jährlich bei den Berufsanfängern diesen Mentalitätswandel, an den sich die «Big Four» anpassen müssen, wenn sie qualifiziertes Personal binden wollen.

«Das Kräfteverhältnis hat sich verändert»

Antoine Badot, KPMG

«In der Post-Covid-Welt haben sich die Erwartungen in Sachen Arbeitsorganisation, dem Wunsch nach Flexibilität und vor allem der Sinn-Suche verändert», berichtet Sylvie Leick, Partnerin bei EY Luxembourg. Und das auf einem Markt, auf dem talentierter Nachwuchs ohnehin schon Mangelware sei. Nur ein gutes Firmenimage helfe, um dennoch die richtigen Bewerber für sich zu gewinnen. Jungen Arbeitnehmern sei wichtig, dass ihre berufliche Tätigkeit in Einklang mit ihren gesellschaftlichen Überzeugungen steht – von Umweltbewusstsein über soziale Themen bis hin zur Unternehmensführung. «Das kann zu Problemen führen», erklärt Leick. Auch wenn bislang noch niemand bei EY einen Kunden oder ein Projekt aus derlei Gründen abgelehnt habe, würden solche Szenarien thematisiert.

Ähnlich sieht man die Situation bei KPMG. «Das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat sich verändert», berichtet Antoine Badot (Tax-Partner & Chief Talent Officer), das Unternehmensmarketing sei stärker gefragt als früher. Geraldine Hassler (Head of People and Culture) erklärt, dass es zwar gut sei, wenn sich Arbeitnehmer entsprechend ihrer persönlichen Vorlieben für bestimmte Projekte besonders einsetzten, doch die Qualität der Dienstleistung müsse auch unabhängig der persönlichen Interessen gegeben sein.

Ob bei EY, KPMG oder PwC – die drei der befragten «Big four» wissen, dass die Arbeitsbelastung bei ihnen hoch ist, insbesondere während der «busy Season» von Januar bis März. Dies sei in der Wirtschaftsprüfung und -beratung jedoch unumgänglich. Um dennoch für junge Bewerber attraktiv zu bleiben, werben die Unternehmen mit Annehmlichkeiten, die vor einigen Jahren noch undenkbar waren: Homeoffice, flexible Arbeitszeiten, längere Wochenenden, Brückentage.

«Das ‹Up or Out› gehört der Vergangenheit an.»

Lieven Lambrecht, PwC

Trotz aller Bestrebungen falle es immer schwerer, junge Talente nicht nur zu rekrutieren, sondern auch im Unternehmen zu halten und die Karriereleiter hinaufklettern zu lassen, berichtet Lieven Lambrecht, Personalleiter bei PwC Luxembourg. Während sich die Branche vor zehn Jahren noch das «Up or Out»-Prinzip (System, in dem Mitarbeiter nach einer bestimmten Zeit aufsteigen oder das Unternehmen verlassen müssen) habe leisten können, habe die jüngere Generation den Spieß auch hier umgedreht: «Viele suchen nach neuen Karrieremöglichkeiten, wechseln beispielsweise von der Wirtschaftsprüfung in die IT.» Andere seien ohnehin nur für eine gewisse Zeit im Unternehmen, bevor sie in ihr Heimatland zurückkehren, und wieder andere gönnen sich einfach nur eine Auszeit. «So zum Beispiel bei eine Mitarbeiterin der Fall, die mit dem Fahrrad durch Europa gefahren ist», erzählt Sylvie Leick.

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