Öko-KampagneKauf diese Jacke nicht!
Der US-Sportartikelhersteller Patagonia scheint mit seiner neuen Werbekampagne gegen alle Regeln zu verstoßen: Er rät seinen Kunden vom Kauf neuer Kleidung ab. «Brillant», finden Experten.

Die auf den ersten Blick widersinnige Kampagne wird von Experten als brillant beurteilt. (Bild: Patagonia)
Die ganzseitige Anzeige in der «New York Times» erregte einiges Aufsehen. Ausgerechnet am «schwarzen Freitag», dem umsatzstärksten Tag des amerikanischen Verkaufsjahrs Ende November, prangte auf Seite 21 das Bild einer Fleece-Jacke unter dem fett gedruckten Titel: «Kauf diese Jacke nicht».
Der widersinnig wirkende Aufruf ist die bisher kühnste Ausprägung einer raffinierten Umweltkampagne von Patagonia. Der kalifornische Hersteller von Outdoor-Kleidung und -Ausrüstung streckt den öko-moralischen Zeigefinger in die Höhe und ermahnt in der Anzeige potenzielle Kunden: «Wir bitten euch, weniger zu kaufen und gut nachzudenken, bevor ihr zehn Cent für diese Jacke oder irgend etwas anderes ausgebt.»
«Reduce, Repair, Reuse and Recycle»
Die verblüffende Werbung ist Teil einer Kampagne mit dem Namen «Common Threads», was sich als «roter Faden» übersetzen lässt. Darin plädiert Patagonia für vier Prinzipien: «Reduce, Repair, Reuse and Recycle.» Zur Reduktion der produzierten Textilmenge will Patagonia mit qualitativ hochstehender Kleidung beitragen, die länger hält. Reparaturen werden zu einem Preis ausgeführt, der lediglich die Kosten deckt.
Die Weiterverwendung begünstigt die Firma mit einem eigens errichteten eBay-Marktplatz im Internet, wo Kunden ihre nicht mehr gebrauchten Stücke secondhand verkaufen können, ohne dass Patagonia daran mitverdient. Und wenn der Pullover oder die Hose nicht mehr zu verwenden ist, nimmt ihn das Unternehmen zum Recyclen entgegen.
Patagonia profitiert auf jeden Fall
«Die Idee ist brillant», sagte der Marketingprofessor Tim Calkin der iPad-Zeitung «The Daily». Patagonia ziehe auf jeden Fall einen Nutzen aus der Kampagne, glaubt er. «Schlägt sie ein, erhöht sie den Wert der Patagonia-Produkte und trägt zum Verkauf bei. Sollte sie nicht funktionieren, erhält Patagonia zumindest eine gute Presse wegen des Beitrags an die Umwelt.»
Die Firma untermauert ihre Öko-Botschaft mit Zahlen. In der Anzeige rechnet sie vor, dass die Herstellung der abgebildeten Jacke 135 Liter Wasser erfordert habe, was dem Tagesbedarf von 45 Menschen gleichkomme. Bei ihrem Transport ins Lagerhaus seien beinahe zehn Kilo Kohlendioxid entstanden oder 24 Mal das Eigengewicht der Jacke. Unter dem Strich seien zwei Drittel des Gewichts als Abfall liegengeblieben.
Patagonias Kalkül ist klar: Wer nach der Lektüre Schuldgefühle hat, wird womöglich gern ein bisschen mehr für sein Kleidungsstück bezahlen. Die Wahl eines Patagonia-Produkts wird zusätzlich erleichtert, wenn Kunden damit rechnen können, später auf eBay etwas vom Kaufpreis zurückzuholen.
Seit 1994 nur noch Bio-Baumwolle
Patagonia-Sprecherin Jess Clayton räumte gegenüber dem «Daily» ein, dass einem börsennotierten Unternehmen die auf langfristige Wirkung angelegte Kampagne schwer fallen würde, da es alle drei Monate Wachstum ausweisen müsse. «Unsere Botschaft ist einfach: Wir tun es nicht für das Geld. Wir tun es, weil es das Richtige ist.» Die im Privatbesitz befindliche Firma, sagt Clayton, habe allerdings mit früheren Entscheidungen, die nicht auf kurzfristigen Profit angelegt gewesen seien, durchaus Geld verdient.
Zum Beispiel verpflichtete sich Patagonia 1994 als einer der ersten Kleiderhersteller, nur noch Bio-Baumwolle zu verwenden. Damals sagten Einzelhandelskenner dem Unternehmen den Bankrott voraus. Doch der Schritt lohnte sich. «Er verhalf nicht nur uns zu Gewinnen, sondern er beeinflusste die ganze Industrie», sagt Clayton. «Heute verkauft sogar die Supermarktkette Wal-Mart biologische Baumwolle.»
L'essentiel Online/Martin Suter