Bus und BahnKostenfreie Öffis halten Luxemburger nicht vom Autofahren ab
LUXEMBURG – Trotz echter Investitionsanstrengungen und der vor drei Jahren eingeführten Gratisnutzung haben die öffentlichen Verkehrsmittel in Luxemburg Mühe, mit dem Privatauto zu konkurrieren.

Seit drei Jahren sind öffentliche Verkehrsmittel im Großherzogtum kostenlos benutzbar.
«Der Kult ums Auto herrscht und es ist ziemlich schwierig die Autofahrer zum Umsteigen auf Bus und Bahn zu bewegen», erklärt Merlin Gillard, Mobilitätsexperte des luxemburgischen Forschungszentrums Liser, gegenüber der AFP. Laut Eurostat landete Luxemburg Ende 2021 mit 681 Fahrzeugen pro 1000 Einwohner auf Platz zwei der EU-Mitgliedstaaten mit der höchsten Auto-Dichte, nach Polen mit 687.
«Die Deutschen bauen die Autos und die Luxemburger kaufen sie», scherzt der luxemburgische Verkehrsminister François Bausch (déi Gréng) – und hat mit dieser Übertreibung nicht ganz unrecht. Obwohl das Großherzogtum viel in den öffentlichen Personenverkehr investiert und diesen seit drei Jahren kostenlos anbietet, können die Verkehrsbetriebe nicht mit der Beliebtheit des Auto mithalten.
Pionier in Europa
In einer Zeit des Übergangs zur CO2-Neutralität hebt die Regierung ihre hohen Investitionen hervor, um die Bevölkerung für einen saubereren Verkehr zu gewinnen. Sie wirbt mit jährlichen Investitionen von 800 Millionen Euro in ihre öffentlichen Verkehrsmittel. Das Land hält den europäischen Rekord bei den Ausgaben für Straßenbahnen, wobei 500 Euro pro Person und Jahr «in den Ausbau und die Qualität des Netzes» investiert werden, wie Bausch feststellt.
Verkehrsexperte Gillard relativiert den Ausgabenrekord jedoch: «Luxemburg hatte viel nachzuholen», betont er. «Jetzt werden Investitionen getätigt, die über Jahre vernachlässigt wurden.» Der Hauptbahnhof wurde von Grund auf renoviert, die Standseilbahn ist hochmodern und es gibt eigene Spuren für Busse und Straßenbahnen. In Luxemburg-Stadt werden die Fortschritte und die Vorteile der Gratisnutzung von den Fahrgästen wertgeschätzt. Diese Maßnahme ist ein Novum in Europa, das zuvor noch nie auf einem gesamten Staatsgebiet eingeführt worden war.
Diese Kostenfreiheit «erleichtert die Entscheidung, ob man mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Auto fährt», und «das ist sehr positiv für die Umwelt», argumentiert Edgar Bisenius, Geschäftsführer eines mittelständischen Finanzdienstleisters.

Trotz allem bleiben viele Luxemburger beim Auto.
«Transport ist ein Grundrecht der Einwohner. Wenn wir das Recht haben zu arbeiten, müssen wir auch das Recht haben, zur Arbeit zu kommen, ohne viel zu bezahlen», sagt Ben Dratwicki. Der Französischlehrer, der in der Hauptstadt wohnt und dort mit dem Fahrrad fährt, erklärt, dass er die Seilbahn und dann den Zug nimmt, um zu der 20 Kilometer nördlich gelegenen Schule zu gelangen, an der er unterrichtet. Er scheint jedoch noch immer einer Minderheit anzugehören, wenn man sich die Staus auf den Hauptstraßen zu den Stoßzeiten ansieht.
Neben der Auto-Liebe der Luxemburger gibt es dafür noch einen weiteren Grund: 220.000 Menschen aus den Nachbarländern Frankreich, Deutschland und Belgien pendeln täglich über die Grenze, fast die Hälfte aller Arbeitskräfte in Luxemburg. Und diese Grenzgänger profitieren erst ab der Grenze von den kostenlosen öffentlichen Verkehrsmitteln und haben somit weniger Anreiz, auf das Auto zu verzichten.
François Bausch versprach eine Zugverbindung zwischen Thionville und Luxemburg-Stadt, die bis 2027-2028 alle sieben Minuten abgefahren werden soll. Eine Frequenz, die «fast mit der Metro vergleichbar» sei, argumentierte der Minister. Für Merlin Gillard ist dies kombiniert mit dem problematischen Immobilienmarkt ein schwerwiegender Nachteil des luxemburgischen Modells: Da die Mieten für viele unbezahlbar seien, könnten sich Grenzgänger nicht mehr dort ansiedeln, selbst wenn sie es wollten. Sie sind also doppelt bestraft: «Sie können sich keine Wohnung leisten und müssen auch noch fürs Pendeln bezahlen.»

Grenzpendler werden im «Luxemburger Modell» doppelt bestraft.