Smartphone-Falle – Langeweile steigert die Kreativität

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Smartphone-FalleLangeweile steigert die Kreativität

Sobald wir ein paar Minuten Zeit haben, zücken wir das Smartphone und vertreiben die Langeweile. Das kann unserer Kreativität schaden.

Wie viel Wartezeit hältst du aus, ohne gleich dein Handy zu zücken? Scrollst du erst durch Instagram, nachdem du schon zehn Minuten auf deinen Arzt wartest? Oder suchst du schon witzige Memes, wenn bei deinem Lieblingsdöner zwei Menschen vor dir anstehen?

Dass viele von uns wahrscheinlich ein bisschen zu viel Zeit am Smartphone verbringen, dürften uns nicht nur Lehrer und Eltern eingeredet haben. Das fällt auch auf, wenn wir am Wochenende eine Stunde nach dem Aufwachen immer noch im Bett liegen und zum zehnten Mal den Insta-Feed neu laden.

«Der Medienwandel und gerade Smartphones machen es um einiges leichter, sich abzulenken», sagt Marc Wittmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg im Breisgau. Wittmann erforscht hauptsächlich Fragen rund um die Wahrnehmung von Zeit: «Wenn man sich gelangweilt fühlt, bedeutet das, dass man sich selbst und der Zeit bewusst wird – man hat keine Ablenkung von sich und das gefällt vielen Leuten nicht.»

Große Denkern war langweilig

Dabei kann leere Zeit, die man weder mit TV, Smartphone oder anderen Menschen verbringt, ziemlich wertvoll sein. Wittmann spricht deshalb auch gerne von Muße, statt von Langeweile: Sie hilft nicht nur beim Entspannen, sondern kann auch die eigene Kreativität beflügeln. «Wenn man ständig mit dutzenden Inputs konfrontiert wird, kriegt man keine Gelegenheit dazu, eigene Ideen oder Ansichten zu entwickeln», sagt der Experte.

Beispiele dafür würden auch diverse große Wissenschaftler oder Schriftsteller liefern, die behaupten, ihre größten Ideen seien ihnen ebenfalls während «leerer» Zeit gekommen. «Die Denkprozesse laufen zwar sowieso im Hintergrund ab, aber ins Bewusstsein treten neue Gedanken häufig erst, wenn man geistigen Raum dafür lässt.»

Smartphone-Sucht

Eine mögliche Ursache dafür, dass wir weniger zu Langeweile – und damit auch zu weniger Muße – kommen als früher, findet man bei unseren Smartphones. «Vom Beruf bis zur sexuellen Beziehung finden heute beinahe alle Kontakte auch übers Handy statt», erläutert Wittmann. «Und als soziale Wesen erhalten wir positive Gefühle, wenn wir sozialen Zuspruch bekommen. Deshalb blicken wir immer wieder aufs Smartphone und hoffen auf eine Nachricht.»

Das führt auch zu einem Teufelskreis: Weil wir uns seltener nur mit unseren Gedanken befassen, wird es umso schwieriger, mit leerer Zeit umzugehen. «Wenn wir beispielsweise vergessen haben, unser Handy aufzuladen und plötzlich mal ohne Ablenkung an der Bushaltestelle stehen, kann ziemlich schnell eine kleine Panik auftreten: Was mache ich denn jetzt, so ohne Beschäftigung?», sagt Wittmann. Und je ungeübter man im Umgang mit sich selbst ist, desto schneller tritt dieses unwohle Gefühl auf.

Versuchen, das Handy wegzustecken

Um den eigenen Gedanken und somit auch der eigenen Kreativität wieder mehr Raum lassen zu können, empfiehlt Wittmann schlicht, sich eben dieser leeren Zeit auszusetzen. «Bewusst das Handy in den Rucksack, statt in die Jackentasche zu stecken, hilft bereits. Und dass Yoga und Meditation derzeit als Trends gelten, zeigt wohl, dass wir uns den Vorteilen langsam bewusst werden, die Langeweile mit sich bringen kann.»

Falls du gerne (wieder) ein bisschen kreativer wärst – versuch doch heute auf dem Weg zur Arbeit mal aus dem Fenster zu schauen, statt wie all die andern ins Smartphone zu starren.

(L'essentiel/Tilllate)

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