DeutschlandLebenslange Haft für Mord an Mirco gefordert
Die Staatsanwältin im Prozess um den Fall Mirco hat lebenslange Haft für Olaf H. beantragt.

Olaf H. machte beim Prozess keine Angaben zum Tathergang. Seine Ex-Frauen Michaela H. (rechts oben) und Kerstin H. beteuern, der 45-Jährige sei nicht pädophil. (Bilder: dadp/Volker Hartmann)
Olaf H., der mutmaßliche Mörder des zehnjährigen Mirco aus dem nordrhein-westfälischen Grefrath soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt werden. Die Staatsanwältin sagte am Montag am Landgericht Krefeld, der Angeklagte habe sich des Mordes, der Freiheitsberaubung und des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht. Zudem forderte sie, das Gericht solle die besondere Schwere der Schuld feststellen. Dann könnte Olaf H. nicht nach 15 Jahren aus der Haft entlassen werden.
Der Antrag kommt drei Tage nachdem der psychiatrische Sachverständige Martin Albrecht vor dem Gericht ein Bild vom mutmaßlichen Mörder gezeichnet hatte: Gesund und hochbegabt, aber auch unsicher, hysterisch und wenig stressresistent. Zugleich urteilte der Gutachter, aus psychiatrischer Sicht sei der angeklagte 45 Jahre alte Familienvater aus Schwalmtal voll schuldfähig.
Vor Gericht sagte H. gar nichts
Seine Bemühungen, sich ein genaues Bild von ihm zu machen, habe der angeklagte Olaf H. zum Teil massiv torpediert, sagte Albrecht. Teilweise habe H. nur unpräzise Angaben gemacht, viele Fragen gerade zu seinem Sexualleben habe er gar nicht beantwortet, berichtete der Gutachter. Der 45-Jährige sei «ängstlich darauf bedacht gewesen, zu verschleiern und zu verheimlichen». Dies gelte auch für seine Version der Tat. Olaf H. habe ihm eine Geschichte erzählt, «die weitab ist von der Realität», sagte Albrecht.
Ein ähnliches Verhalten zeigte Olaf H. vor Gericht: «Er sitzt einfach da, starrt meistens vor sich hin oder lächelt süffisant, so als habe er eine Wahrheit für sich gefunden - und alle anderen keine Ahnung», so Albrechts Beobachtungen beim Prozess. In der Abwehrhaltung des 45-Jährigen sieht der Gutachter das typische Verhalten von Kindsmördern. Diese Täter tendierten wegen der «erheblichen gesellschaftlichen Stigmatisierung» dazu, Sachverhalte zu verschleiern, so Albrecht. Olaf H. hatte bei der Polizei und vor Gericht immer wieder Aussagen gemacht, die er anschliessend korrigierte oder die nach Zeugenaussagen in Zweifel gezogen wurden.
Bild des nackten Opfers hängt in der Zelle
Wie der deutsche «Spiegel» berichtet, habe Olaf H. in seiner Zelle ein Foto des Opfers hängen. Sein Verteidiger Gerd Meister bestätigt: «Es war der Wunsch des Angeklagten, dieses Foto zu bekommen. In tiefer Trauer um den toten Jungen hat er es in der Zelle aufgehängt. So zeigt er sein Mitgefühl.» Olaf H. soll tatsächlich nach der grausamen Tat jeden Morgen an das tote, nackte Kind gedacht haben - 145 Tage lang. Er soll sich sogar überlegt haben, schreibt der «Spiegel» weiter, «anonym eine Nachricht einzuwerfen», um Mircos Eltern Gewissheit zu geben.
Dass sowohl Olaf H. als auch seine Ex-Frauen beteuerten, der 45-Jährige sei keineswegs pädophil, bedeute nicht, dass der Familienvater den ihm zur Lasten gelegten Missbrauch und den anschliessenden Mord nicht begangen habe, betonte Albrecht. Seiner Einschätzung nach sei es dem Angeklagten weniger um eine sexuelle Befriedigung als um das Erleben eines Allmachtsgefühls durch Unterdrückung eines anderen gegangen.
Möglicher Tatauslöser: Stress im Beruf
Als Auslöser für die Tat kommt nach Einschätzung des Gutachters beruflicher Stress durchaus infrage - auch wenn sich während der Verhandlung die Zweifel mehrten, dass es tatsächlich wie vom Angeklagten angegeben am Tattag ein Streitgespräch zwischen ihm und seinem Chef gab. Es sei jedoch «mit einiger Wahrscheinlichkeit» davon auszugehen, dass die allgemeine berufliche Situation, die Olaf H. offenbar als belastend erlebte, eine «labilisierende Wirkung» auf den Angeklagten gehabt habe, was sich schliesslich in Missbrauch und Mord entladen habe, sagte Albrecht.
Zum möglichen Tathergang sagte der Gutachter, bei Olaf H. hätten sich Fantasien zu einem Kindesmissbrauch eingestellt, wodurch er ein Allmachtsgefühl erleben wollte. Seine Erregung sei gestiegen, sein Machtgefühl habe er «bis zum Exzess» ausgelebt, der in Mircos Tötung endete. Zu beweisen sei diese Version allerdings nicht, räumte Albrecht ein. Zu einer möglichen Wiederholungsgefahr wollte sich der Gutachter nicht äussern.
Am Montagnachmittag werden die Plädoyers erwartet. Das Urteil soll am kommenden Donnerstag verkündet werden. Olaf H.s Verteidiger kündigte ein Schlusswort seines Mandanten an, das sich auch an Mircos Eltern richten wird.
(L'essentiel online/kle/dapd)